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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Beweis genug, daß sie nicht kommen will?
    *
    So gingen die Wochen dahin. Ende November wagte Freiburg es, seinen Freund wieder einmal zu fragen: »Was hörst du von Liyun? Kommt sie im Winter?«
    »Nein.«
    »Kein Visum?«
    »Ich weiß es nicht. Ich habe nichts mehr von ihr gehört. Kunming schweigt.«
    »Und du Trottel sitzt herum und lutschst am Daumen? Rühr dich!«
    »Ich habe sie angerufen. Sie hat die Formulare von der Botschaft bestimmt bekommen – und nichts ist geschehen. Sie will nicht mehr.«
    »Darauf wartest du? Junge, ruf sie noch mal an, immer wieder, schreib ihr Briefe: Liyun, komm zu mir! Ich liebe dich. Und ich weiß, du liebst mich auch. Warum höre ich nichts von dir? Jede Nacht bist du im Traum bei mir, taste ich neben mich und fühle deine Nähe. Warum kommst du nicht?«
    »Sie wird mich nur auslachen. Sie hat mich vergessen.«
    »Weil du ein sturer Hund bist. Frauen wollen umworben sein. Sie erwarten einen Kniefall, um dich dann gnädig aufzuheben. Frauen sind kratzende Biester, Hans, aber wir lieben das Kratzen. Wir betteln geradezu darum. Flehe sie an, daß sie zu dir kommt.«
    »Nein.« Rathenow hatte mit der flachen Hand auf den Tisch geschlagen. »Das habe ich nicht nötig! Wer nicht will, der hat schon! Ich krieche nicht auf dem Bauch nach Kunming!«
    »Du willst also nichts tun?«
    »Nein.«
    »Naja. Wie geht es übrigens deinem chinesischen Literaturagenten?«
    »Du meinst Min Ju?«
    »Ja. Ich habe nichts mehr von ihm gehört. Wann ist er gestorben?«
    »Min Ju lebt, und er raucht sogar.«
    Dr. Freiburg wurde ernst. »Keine Schmerzen?« fragte er nun im Medizinerton.
    »Nicht die geringsten.«
    »Gewichtsabnahme?«
    »Er ist rund wie eh und je.«
    »Das gibt es nicht. Es sind jetzt drei Monate vergangen, seit dieser ominöse Professor Sun mir weismachen wollte, man könne mit Lakritze eine Niereninsuffizienz behandeln. Herr Min müßte längst zusammengefallen sein wie ein Ballon, der Luft verliert!«
    »Im Gegenteil. Er fühlt sich wohler als sonst.«
    »Der Kräuterprofessor ist noch bei ihm?«
    »Nein, er ist zurück nach Amsterdam. Aber er schickt jede Woche die Medikamente, die er selbst herstellt. Offenbar helfen sie.«
    »Es gibt kein Mittel gegen ein inoperables Pankreas-Carzinom«, rief Freiburg erregt. »Sind wir denn alle Deppen?«
    »Deine Selbsteinschätzung freut mich. Mit Ignoranz ist noch kein Kranker geheilt worden. Es gibt offenbar doch noch Dinge auf dieser Erde, die eure Weisheit nicht begreift.«
    »Ich möchte noch einmal mit Herrn Min sprechen.«
    »Ich fürchte, das wird ein frommer Wunsch bleiben. Min Ju hat die Nase voll von dir. Er vertraut nur noch Professor Sun Quanfu.«
    »Dann ist das eine psychogene Sache. Wir kennen in der Medizin Fälle, da wird durch psychische Einflußnahme eine Besserung vorgegaukelt, so weit, daß der Kranke glaubt, er sei geheilt. Aber in Wirklichkeit schreitet die Krankheit fort. Sie wird nur überdeckt.«
    »Ihr Ärzte habt für alles eine Ausrede.« Rathenow winkte ab, als Freiburg protestieren wollte. »Frohe Weihnachten und ein besseres neues Jahr. Mach's gut.«
    »Wir haben erst Ende November, Hans!«
    »Wir sehen uns erst im neuen Jahr wieder.«
    »Das ist doch nicht dein Ernst?«
    »Ich schreibe an meinem Buch über China. Mein Verleger mahnt mich jeden Tag wegen der Manuskriptabgabe. Ich muß also jetzt wirklich arbeiten.«
    »Du kriechst in deinen ›prunkvollen Sarg‹, wie du es nennst? Das ist doch wie eine Selbstgeißelung! Ich besuche dich ab und zu.«
    »Bitte nicht! Ich lasse dich gar nicht erst rein.«
    »Und Liyun?«
    »Muß ich vergessen.«
    »Und das nennst du die Liebe deines Lebens?«
    »Sie wird es bleiben, in der Erinnerung. Aber zur Liebe gehören zwei. Wenn der eine Teil nicht will, muß man die Kraft haben, zu verzichten.«
    »Und wenn sie dir zu Weihnachten schreibt?«
    »Wohl kaum. Warum schweigt sie jetzt? Sie müßte längst in München sein, wenn sie den Fragebogen der deutschen Botschaft ausgefüllt hätte. Aber das hat sie nicht … und damit muß ich mich abfinden.«
    »Ich habe eine gute Ablenkung für dich. Im Tennis-Club ist eine junge Apothekerin aufgetaucht. Mit 35 Jahren schon Witwe. Eine Frau mit Flair und Ausstrahlung.«
    Rathenow beendete abrupt das Gespräch.
    Immer wieder kämpfte Rathenow mit sich. Schick ihr noch ein Fax! sagte die eine Stimme. Aber dann: Nein! Lauf ihr nicht nach! Du warst für sie eben nur ein VIP, den man besonders betreuen muß. Sie war zum Abschied nicht

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