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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Rathenow die beiden Umschläge zu. »Zähl, wieviel!«
    Rathenow blätterte die Scheine durch, die in den Kuverts lagen. »Es sind genau 17.000 Mark!«
    »Eine gute Quote.«
    »Ninglin, das geht nicht. Das ist das Vierfache, was er zahlen sollte.«
    »Peng Welfan hätte nicht verreisen sollen an dem Tag, da er wußte, daß ich komme. Er wird es nie wieder tun. Das hat er heute gelernt – und jede Lehre muß man bezahlen. Nichts gibt es umsonst. Merke dir das: Wo man Geld findet, nimmt man es mit.«
    An diesem Abend schrieb Rathenow lakonisch in sein Tagebuch:

Besuch:
17 Lokale.
Einnahmen:
DM 81.000, –
davon 17.000 Sonderzahlung ›Peking-Ente‹.
Ein Schwerverletzter.
Sonst keine besonderen Vorkommnisse.
    Nachdem er die Eintragung noch einmal durchgelesen hatte, spuckte er auf die Seite und dachte: Soweit bin ich schon: keine besonderen Vorkommnisse! Kein Toter, nur ein für immer entstelltes Gesicht.
    Er warf das Tagebuch an die Wand. Es war die Chronik eines Feiglings.
    *
    Fünf Tage später bat ein Prof. Sun Quanfu bei Dr. Freiburg vorgelassen zu werden. Die Sprechstundenhilfe rief nicht in der Ordination an, sondern lief selbst hinüber. Sie war sehr aufgeregt.
    »Herr Doktor!« rief sie. »Da ist wieder ein Chinese in der Praxis. Er will Sie sprechen.« Sie hielt Freiburg die Visitenkarte hin. »Sogar Professor ist er.«
    »Gewöhnen Sie sich dran, Lottchen.« Freiburg legte die Karte auf seinen Tisch. »So fängt es an. Bald haben wir die ganze chinesische Kolonie von München im Wartezimmer. Ich lasse den Herrn Professor – wie heißt er? Sun Quanfu! – bitten.«
    Sun betrat das Sprechzimmer und verbeugte sich leicht. Dr. Freiburg verhielt sich abwartend.
    »Es ist mir eine Ehre, einen so berühmten Kollegen begrüßen zu dürfen«, sagte Sun untertänig. Er sprach ein holländisch gefärbtes Deutsch, das an Rudi Carell erinnerte.
    »Sie sind auch Arzt, Professor?« Freiburg überhörte das ›berühmt‹, obgleich es seiner Eitelkeit schmeichelte.
    »Ja. Ich habe in Peking und Chengdu studiert und war zuletzt Dekan der medizinischen Fakultät der Universität von Wuhan. Jetzt lebe ich in Amsterdam. Ich bin Flüchtling, ein sogenannter Konterrevolutionär.«
    »Interessant. Sie sind Internist?«
    »Ich war Leiter des Instituts für Naturmedizin.«
    Freiburg bot dem Professor einen Platz an. Sun setzte sich. Naturmediziner, dachte Freiburg mit dem ihm eigenen Spott. Professor für Schlangensaft und getrocknete Spinnen. Den hat Rathenow zu mir geschickt! Na warte, lieber Freund, die Retourkutsche kommt sofort!
    »Ich bin von Amsterdam herübergekommen, um die Behandlung Ihres Patienten Min Ju zu übernehmen.« Sun neigte etwas den Kopf. »Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich mich da einmische – aber es war der Wunsch von Herrn Min.«
    »Jeder Kranke ist frei in der Wahl des Arztes seines Vertrauens. Sie möchten unterrichtet werden über den bisherigen Stand der Untersuchungen? Um es vorweg zu sagen: Herr Min hat ein inoperables Pankreas-Ca. Ich zeige Ihnen gleich die Röntgenbilder. Herr Min ist nicht mehr therapierbar. Es bleibt nur noch eine konservative Behandlung: Chemotherapie und Schmerzlinderung, wenn die Schmerzen einsetzen.«
    »Herr Min ist also im Endstadium …«
    »Absolut.«
    »Kann ich die Röntgenbilder mitnehmen? Ich sehe sie mir zu Hause an.«
    »Aber selbstverständlich, Herr Kollege. Ich kann Herrn Min aus meiner Kartei herausnehmen?«
    »Darum wollte ich Sie bitten.«
    Man war sich also schnell einig, aber Freiburg brach das Gespräch nicht ab. Ihn interessierte plötzlich, was dieser Sun Quanfu sich unter einer naturmedizinischen Therapie vorstellte. Bei einem so fortgeschrittenen Pankreas-Ca gab es nur eine Hoffnung: Gott, laß es schnell gehen!
    »Sie wollen Herrn Min noch therapieren?« fragte er.
    »Der Fortschritt in der Medizin ist durch Forschung und Versuche erreicht worden«, antwortete Prof. Sun. »Wir forschen seit 4.000 Jahren, basierend auf den Erkenntnissen von Huang Di, dem Gelben Kaiser. Er hat ein Buch geschrieben, das noch heute die Grundlage unseres medizinischen Wissens ist. Es heißt ›Hung di nei jing‹, ›Die Innere Heilkunst des Gelben Kaisers‹. Und der Gelehrte Li Zhuguo hat ein Standardwerk der traditionellen Heilkunst verfaßt, auf das wir heute noch zurückgreifen. Wir haben einen alten Spruch, der unser großes Wissen und unsere Sammlung von Erkenntnissen beschreibt: ›Bewahre das Alte und füge das Neue hinzu.‹ Und wir forschen seit Tausenden

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