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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kampfvogel noch mit Körnern gefüttert und ihm in das Trinkschälchen am Gitter etwas Cola geschüttet. Der Vogel tauchte mit Begeisterung seinen Schnabel hinein.
    Rathenow schüttelte stumm den Kopf. Coca-Cola für einen Vogel – das sollte man den Coca-Managern melden. Das fehlte noch in ihrer Werbung.
    »Können wir weiterfahren?« fragte Liyun. Sie reichte Rathenow aus einem Päckchen ein Erfrischungstuch aus Zellstoff. Er putzte sich die Hände ab, sie nahm es zurück und steckte es in einen Papiersack, in dem sie die Abfälle sammelte.
    »Nanu?« sagte Rathenow, um sie wieder zu provozieren. »Nicht einfach raus aus dem Fenster? Das ist doch hier so üblich.«
    »Ich habe eine gute Erziehung gehabt.« Sie verknotete den Papiersack, stellte ihn zur Seite und setzte sich wieder nach vorn neben Ying. »Fahr los!«
    Ying hupte mehrmals, gab Gas und hüllte die Stände in eine Staubwolke ein. Ein paar Händler schrien hinter ihm her, aber Wen lachte nur, überholte zwei Ochsenkarren und blickte sich kurz nach Rathenow um. Na, wie mach' ich das? Herr Langnase, so fährt man Auto! Ganz knapp überholte er einen Lastwagen mit Baumstämmen, quetschte sich an dem entgegenkommenden Traktor vorbei und hatte dann wieder die Straße für sich allein.
    Nach einer Stunde erreichten sie Chu Xiong. Eine ›kleine‹ schöne Stadt voller Geschäfte und Tempelchen mit einem Marktplatz, auf dem in einem umzäunten Rondell ein bunt bemalter Pavillon stand. Gegenüber dem Platz stand ein großes Gebäude, in dessen Hof Ying hineinfuhr.
    »Das Hotel!« sagte Liyun. »Hier können Sie gut essen. Wir haben eine Stunde Zeit. Ying ist sehr gut gefahren.«
    Sie stiegen aus, Liyun ging in das Hotel, bestellte das Essen. Wen setzte sich zu dem Mann an der Rezeption in einen geschnitzten Sessel und sagte: »Wenn ich ein Bier bekomme, bin ich dein Freund.« Rathenow ging hinaus auf den Platz, fotografierte den schönen Pavillon und einen kleinen Jungen, der sich an das Gitter hockte. Wie bei allen chinesischen Kindern war seine Hose hinten geschlitzt, und er brauchte den Schlitz nur auseinanderzuziehen.
    Rathenow machte einige Bilder, und der Junge grinste ihn unbefangen an. Warum ihn der Fremde fotografierte, verstand er nicht. Es war die natürlichste Sache der Welt, sich irgendwo hinzuhocken, wenn es im Inneren drückte.
    Liyun war Rathenow gefolgt und stand vor dem Pavillon – ein wirklich schönes Bild.
    Rathenow hob die Kamera. »Darf ich Sie fotografieren?« fragte er.
    »Ja … gern …«
    »Es wird ein besonderes Bild, Liyun.«
    Sie sah ihn mit einem leichten Lächeln an, neigte den Kopf etwas nach links, stellte sich in Positur, wie es die meisten tun, wenn sie fotografiert werden, und Rathenow drückte den Auslöser. Klick!
    Es war wirklich ein besonderes Bild: Die hölzern dastehende, schöne Liyun und neben ihr der pinkelnde Junge mit seinem offenen Hosenschlitz. Und dahinter der bunte Pavillon mit seinen rot lackierten, zierlichen, geschnitzten Säulen, Ornamenten und vergoldeten Drachen.
    Rathenow hatte Glück, daß Liyun diese Bild-Komposition nicht bemerkte – sie hätte sich nie mehr von ihm fotografieren lassen.
    »Und jetzt an den Tisch!« rief Rathenow und hängte den Fotoapparat über die Schulter. »Was haben Sie bestellt, Liyun?«
    »Für Sie ein Steak mit Gemüse und chinesischen Pilzen. Zum Nachtisch eingelegte Lychees.«
    »Und für Sie?«
    »Eine Nudelsuppe mit Hühnerfleisch.«
    »Was wäret ihr Chinesen ohne Nudeln!« Er lachte, hakte sich bei Liyun unter und merkte nicht, wie peinlich ihr das war. In aller Öffentlichkeit Arm in Arm mit einem Fremden! Aber sie entzog sich ihm nicht, um ihn nicht zu beleidigen, nur ihr zartes Gesicht färbte sich leicht rot.
    So gingen sie über die Straße hinüber ins Hotel, und Liyun war froh, als man den etwas düsteren Speisesaal betrat. Im Gegensatz zu draußen war es hier wohltuend kühl. Sieh an, dachte Rathenow, sie haben hier sogar eine Klimaanlage. Der Fortschritt marschiert …
    Ein Kellner in schwarzer Hose und weißem Hemd geleitete sie an ihren Tisch.
    Rathenow freute sich auf sein Essen: ein Steak mit Gemüse und Pilzen.
    *
    Gleich nach der Abfahrt von Liyun und Rathenow vom Hotel ›Goldener Drache‹ rief Cheng Zhaoming bei Shen Jiafu an. Der stellvertretende ›Direktor‹ der Organisation hörte sich geduldig an, was sein Beobachter ihm mitteilte.
    »Wir werden sie in Dali und Lijiang beobachten«, sagte er nach dem Bericht. »Wir haben Erkundigungen über

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