Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Glücksgefühl seines Herrn.
    Die Gebirgsstraße senkte sich ziemlich steil hinab in ein weites Tal. Die ersten Dörfer klebten an den Hängen, braungelb mit grauen Dächern. Ein Bus kam ihnen keuchend entgegen, und Ying mußte den Wagen bis dicht an den Abgrund lenken, eine Zentimeterarbeit, und Rathenow wurde sehr still und spürte plötzlich etwas vom Fatalismus eines Asiaten: Wenn es geschehen soll, dann geschieht es eben. Schicksal …
    Aber der Bus und Ying kamen langsam aneinander vorbei, und dann gab Ying wieder kräftig Gas.
    Rathenow atmete auf. »Bravo!« rief er. »Bravo, Ying! Sie sind wirklich ein Meisterfahrer!«
    »Sehen Sie – er hat das geahnt!« Liyun drehte sich zu ihm um. »Deshalb der Schluck aus der Flasche.«
    »Ich kapituliere.«
    Nach dem Verlassen des Gebirges lag die Burma-Straße wieder in gewohntem Staub vor ihnen. Nach einer weiteren Stunde erreichten sie das Städtchen Nan Hua, wo eine Straße nach Norden abzweigte. Und am Rande von Nan Hua war heute Markt. Ein Labyrinth von Ständen mit ihren flatternden Plastikdächern, flachen Bauernwagen mit Gemüse, Tischen mit Nägeln, Werkzeugen, Blechkannen und großen Thermosflaschen, hinter denen die Verkäufer auf einem Hocker saßen, still und würdevoll und ohne das in Europa gewohnte Marktgeschrei, zog sich einen kleinen Hügel hinauf. Es gab genau abgegrenzte Abteilungen: den Töpfermarkt mit einem Riesenangebot an Vasen, Einmachtöpfen, Kübeln, Schalen und bunt bemalten Nacht- und Spucknäpfen, den Kleidermarkt, die Reihen der Schuhverkäufer, das Viertel der Fleischer und der Gewürzhändler, die Tische der Schuhmacher, Fahrradreparateure und Popcorn-Bäcker. Unter einem Segeltuch saß ein ›Zahnarzt‹, vor sich einen Haufen gezogener Zähne als Beweis seiner Kunstfertigkeit, und wartete auf Patienten, die er sofort behandelte. Zwei lange Standzeilen in der Mitte des Marktes bildeten das Viertel der Garküchen, von denen ein würziger Duft über alles wehte und zum Essen einlud. Und dazwischen ein Gewimmel von Menschen, ein Drängen und Schieben durch die Budengassen, den Hügel hinauf und hinunter, ein berauschendes Bild aller Farben, und irgendwo in diesem Menschenhaufen spielte jemand melancholisch auf einer Flöte.
    »Wunderbar!« sagte Rathenow. »Einfach wunderbar.«
    Sie waren ausgestiegen, standen neben dem Wagen und ließen das bunte, hin- und herwogende Leben an sich vorbeiziehen.
    »Das ist China!« Ein wenig Stolz klang in Liyuns Stimme mit.
    »Sagen wir besser, auch das ist China. Gehen wir über den Markt, Liyun?«
    »Wenn Sie möchten.«
    »Haben wir noch so viel Zeit?«
    »Ja. Ying wird einfach schneller fahren bis Dali.«
    »Gott steh mir bei!« Rathenow hob die Kamera und fotografierte die Marktbuden und einige markante Menschenköpfe. Hinter ihnen fuhr ein großer Lastwagen auf, kippte die Ladeluke herunter und begann, Kohlen zu verkaufen. Es war aus dem Bergwerk grob gehauene Kohle, kleine und große Brocken, zu denen sich jetzt einige Bauern mit ihren Karren drängten, gezogen von den kleinen Einhandtraktoren. Rechts von ihnen lag ein Berg aus China-Kohl neben einem Stand mit Gewürzen und Tofu-Blöcken.
    Rathenow und Liyun stürzten sich in die Menge, ließen sich von der Menschenmasse mitreißen, schoben sich an den Ständen vorbei. Vor einer Kleiderbude blieb Liyun plötzlich stehen und zeigte auf eine im Wind flatternde Bluse. Sie war aus gelber Seide, mit Blumen in allen Farben bestickt.
    »Die ist sehr schön«, sagte Liyun.
    »Es kommt darauf an, wer sie trägt.«
    »Zum Beispiel ich.«
    »Das kann ich erst beurteilen, wenn ich die Bluse an Ihnen sehe.«
    Liyun sagte zu der Verkäuferin ein paar schnelle Worte. Die Frau mit einem zerknitterten Gesicht holte die Bluse von der Leine und reichte sie Liyun hin.
    »Alles Handarbeit«, sagte Liyun und hielt die Bluse an ihren Oberkörper. »Wie gefällt sie Ihnen?«
    »Sie ist wie für Sie gearbeitet. Sie sehen darin wie eine Prinzessin aus, wie ich sie auf vielen Bildern Ihrer Maler gesehen habe. Darf ich Ihnen die Bluse schenken, Liyun?«
    Sie antwortete nicht, gab der Händlerin die Bluse zurück und fragte nach dem Preis. Die Frau warf einen schnellen Blick auf Rathenow, schätzte ihn ab und war überzeugt, daß die ›Langnase‹ die Bluse bezahlen würde. Das konnte ein gutes Geschäft werden.
    »150 Yuan«, sagte sie.
    Liyun sah sie an, als sei sie bespuckt worden. »Bist du verrückt?« erwiderte sie dann. »Ich zahle dir 40 Yuan dafür. Pack sie

Weitere Kostenlose Bücher