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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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so realistisch, daß ich beim Erwachen noch alle Knochen spürte. Haben Sie einen Freund, Liyun?«
    »Ja. Hier in Dali.«
    »Welch ein Zufall!«
    »Er ist Journalist.«
    »Werden Sie ihn heiraten?« Eine Frage, die ihn plötzlich schmerzte.
    »Ich weiß es nicht. Gehen wir frühstücken!«
    »Sie lieben ihn?«
    »Ich … Vielleicht ja …«
    »Bei der richtigen Liebe gibt es kein Vielleicht.«
    »Hua wird gleich kommen.«
    Liyun wandte sich ab und ging in Richtung Speisesaal davon. Rathenow folgte ihr mit zusammengekniffenen Lippen. Was hast du dir eigentlich dabei gedacht? fragte er sich. Natürlich hat sie einen Freund! Sie ist 25 Jahre alt – in diesem Alter sind die meisten Chinesinnen verheiratet und haben ein Kind. Es ist erstaunlich, daß Liyun noch keine eigene Familie hat. Auf was oder wen hat sie bis jetzt gewartet? Rathenow, du bist wirklich ein alter Narr!
    Aber das Frühstück schmeckte ihm nicht mehr. Während Liyun eine Nudelsuppe löffelte, aß er nur ein Dampfbrötchen mit Butter und einer widerlich süßen Marmelade, trank zwei Tassen grünen Yunnan-Tee und warf ab und zu einen Blick auf Liyun. Ihr langes, schwarzes Haar war zurückgekämmt und wurde von einem Plastikreif gehalten. Erst jetzt fiel ihm auf, daß sie eine andere Frisur hatte.
    »Sie waren beim Friseur?« fragte er.
    »Ja. Gestern abend.«
    »Nach dem Essen? So spät?«
    »Ich habe eine Freundin, die arbeitet in einem Friseurgeschäft.«
    Sie löffelte weiter ihre Nudelsuppe und vermied es, Rathenow anzusehen. Er hat es bemerkt, dachte sie. Er beobachtet mich genau. Er hat einen Blick, den man förmlich auf der Haut spürt. Einen Blick, der jede Frau schwach werden lassen könnte … Aber nicht dich, Liyun, nicht dich! Sag es dir immer wieder: Nicht dich! Er ist ein Ehrengast, weiter nichts. Ein Gast – kein Mann! Ein völlig neutrales Etwas!
    Hua kam in den Speisesaal. Liyun atmete auf und winkte ihr zu. Es war wie eine Erlösung.
    Hua trat an den Tisch und setzte sich auf den noch freien Stuhl. Rathenow erhob sich formvollendet und begrüßte sie. Er sprach englisch mit ihr, was in Liyun wieder Ärger aufkommen ließ, denn sie sprach kaum ein paar englische Worte.
    »Frau Pan, ich begrüße Sie«, sagte Rathenow höflich und gab Hua die Hand. »Ich bin gespannt, wie Ihr Programm für heute aussieht. Liyun deutete schon an, daß es umfangreich ist.« Er setzte sich wieder.
    »Das kommt auf Sie an.« Hua lächelte Rathenow zu und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. Sie trug keinen Büstenhalter, die kleinen Brustwarzen drückten sich durch die dünne Seidenbluse. Ihr Haar war kurz geschnitten, eine Art Pagenkopf mit Fransen über der Stirn.
    Als habe er auf ein Stichwort gewartet, kam nun auch Wen Ying zum Frühstück, aber er setzte sich abseits an einen Tisch. Ein Fahrer hat Distanz zu wahren gegenüber einem so berühmten Gast. Das ist eine Grundregel in China. Der Gast ist wie ein König, und mit einem König setzt man sich nicht an einen Tisch.
    »Wo fangen wir an?« fragte Rathenow und ließ seinen Blick auf Huas Brustspitzen verweilen. Es war eine Provokation, die Liyun innerlich in einen wilden Aufruhr versetzte.
    »Ich denke, wir fahren zuerst zum Erhai-See, dann zu den drei Pagoden und dann zum Teehaus über dem ›Südlichen Tor‹. Wenn Sie wollen, können wir auch mit einem Boot nach Guan Ying fahren. Das ist eine Insel im Erhai-See, die ›Göttin-Insel‹. Dort gibt es einen wunderschönen Tempel, der der Göttin geweiht ist. Vor allem junge Ehepaare lassen sich zu diesem Tempel bringen und bitten die Göttin, ihnen zu helfen, ein Kind zu bekommen. Möglichst einen Sohn. Man sagt, ihre Wünsche werden meistens erfüllt.«
    Liyuns Miene hatte sich verdüstert. Etwas spitz fragte sie: »Was erzählt Hua da?«
    »Sie hat mir erklärt, wie man einen Sohn zeugt«, antwortete Rathenow mit Genuß.
    »Dann soll sie das erst mal vormachen!«
    »Kann ich ihr das sagen?«
    »Das überlasse ich Ihnen!« Es tat Liyun in der Seele gut, weiterzusprechen. »Sie hat einen Freund … einen Deutschen. Einen Fabrikanten aus Hannover. Er war schon dreimal in Dali und hat sie besucht. Sie hat ihn bei einer Führung kennengelernt.«
    »Und sie hat mit ihm geschlafen?«
    »Fragen Sie sie selbst.«
    »Ich werde mich hüten. Aber wenn ein Mann dreimal von Hannover nach Dali fliegt, um sie zu sehen, dann ist das nicht ganz ohne! Da läuft was.«
    »Das geht uns nichts an.«
    Sie sagt ›uns‹ – Rathenow registrierte das genau. Uns – Er

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