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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Weile. »Einfach unfaßbar! Zu welchen Wunderwerken ein Mensch fähig ist, wenn er glaubt. Wir haben unsere Dome, ihr habt eure Tempel, die Inkas hatten ihre Götterpyramiden und die Ägypter ihre Grabkammern. Sie alle knieten vor Gott – und schlachteten sich doch gegenseitig ab. Bis heute hat sich nichts daran geändert. Die Menschheit lernt nie aus dem Vergangenen. Warum kann Schönheit nicht Frieden gebären? Warum vernichten wir, was unvergänglich sein sollte? Wenn man hier steht, begreift man die ganze Tragik des Menschen.«
    Er sagte es auf deutsch, und nur Liyun verstand ihn. Sie hatte unzählige Male mit Touristengruppen an dem Spiegelbild der Drei Pagoden im Teich gestanden und viele Ahs und Ohs gehört und Hunderte Touristen gesehen, die wie wild fotografierten und dabei ununterbrochen redeten.
    Und immer hatte Liyun dabei gedacht: Sie begreifen gar nicht, was sie sehen, vor wem sie stehen; ob sie einen kackenden Hund fotografieren oder die Drei Pagoden, ist ihnen egal.
    »Sie sind der erste, der so redet«, sagte sie zu Rathenow.
    »Wirklich? Ich kann nicht anders, ich empfinde es so. Ich bin gefangen von dieser Schönheit.«
    Hua aber drängte ungeduldig zur Weiterfahrt. »Wir haben noch so viel anzusehen«, sagte sie, »und die Zeit bleibt nicht stehen.«
    »Leider. Man müßte sie anhalten können.«
    »Dann gäbe es keine Entwicklung.«
    »Ob das immer von Vorteil ist? Ich wollte mir noch eine Marmorfigur kaufen.«
    »Und mit sich herumschleppen? Drei Wochen lang? Sie kommen auf dem Rückweg doch wieder nach Dali.« Ihre listigen Augen blitzten ihn an. »Darauf freue ich mich schon heute.«
    »Wirklich?«
    »Bei so etwas lüge ich nicht.«
    »Aber sonst können Sie lügen?«
    »Ab und zu, wenn es sein muß.«
    Sie drehte sich mit einem kecken Schwung herum und ging zurück zum Wagen. Liyun zog die Augenbrauen zusammen. Wie sie mit dem Arsch wackelt! Wie sie auf ihren krummen Beinen wippt! Du bist nicht mehr meine Freundin, Hua. Endgültig!
    Sie fuhren wieder quer durch Dali – zum ›Nördlichen Tor‹ hinein und durch das ›Südliche Tor‹ hinaus. An beiden Einlassen wurde Ying von der dort Wache stehenden Polizei angehalten, denn es ist verboten, mit dem Auto durch die Altstadt zu fahren – nur mit einer Sondergenehmigung geht das. Wen Ying hatte sie natürlich, zeigte sie vor und durfte passieren. Außerhalb des ›Südlichen Tores‹ hielt er auf einem Parkplatz, wo auch eine Reihe Busse mit Touristen warteten.
    Während der Fahrt durch die Stadt hatte Ying mit einem breitem Grinsen auf Hua neben sich geschaut und gesagt: »Er ist wohl dein Typ, der Deutsche?«
    »Halts Maul!« hatte ihn Hua angeherrscht. Aber Ying kümmerte das gar nicht.
    »Er ist ein berühmter Herr.«
    »Das weiß ich.«
    »Was willst du mit ihm? Juckt es dich so sehr?«
    »Sau!«
    »Denk an deinen deutschen Freund, den Fabrikanten.«
    »Du Ekel! Leck mir doch den Hintern!«
    Hua knirschte mit den Zähnen, aber sie behielt die Beherrschung. Nur, als sie vor dem Tor ausstiegen, zischte sie Ying an: »Du hast jetzt zwei Stunden frei. Geh zu einer Hure!« Dann wandte sie sich mit strahlendem Gesicht zu Rathenow um. »Wir besuchen jetzt das Tee-Haus! Von dort oben hat man einen wirklich schönen Blick über die ganze alte Stadt. Es wird Ihnen gefallen.«
    »Mir gefällt alles, was Sie mir zeigen«, antwortete Rathenow fröhlich. »Ich lasse mich gern überraschen.«
    Ein Blitzen aus Huas Augen dankte ihm für diese charmante Anzüglichkeit. Liyun atmete tief durch, aber sie freute sich dennoch auf die Teestunde.
    Ein Mädchen wies ihnen einen Tisch an, von dem aus sie die Altstadt überblicken konnten … das verschachtelte Häusermeer mit den engen Gassen und Nebenstraßen, die Geschäfte mit den bunten Reklameschildern, die dampfenden Garküchen, die schweren Karren, die von Männern an dicken Stricken gezogen wurden, die Frauen, die Bündel, Säcke oder gefüllte Körbe auf dem Kopf trugen …
    »Trinken wir Tee?« fragte Liyun.
    »In einem Tee-Haus, was sonst?« antwortete Rathenow.
    »Es gibt viele Touristen, die trinken auch hier Cola oder Bier.«
    »Das sind Banausen!«
    »Tee auf Bai-Art?«
    »Wennschon, dennschon!«
    Liyun bestellte bei der Kellnerin, einem hübschen Mädchen, das in seiner Bai-Tracht wie eine lebende Folklorepuppe aussah. Schon nach kurzer Zeit wurden die Schalen gebracht, aber Liyun hielt Rathenows Hand fest, als er danach greifen wollte.
    »Noch nicht«, sagte sie. »Ich muß erst

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