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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gehöre nicht mehr dazu.« Rathenow schob die leere Teeschale über den kleinen Lacktisch. »Ich möchte noch eine Tasse sauren Tee.«
    »Nein!« Liyun schüttelte den Kopf mit einer Wildheit, die Rathenow nie in ihr vermutet hätte. »Sie bekommen den süßen Tee! Sie sind kein alter Mann, der vor seinem Sarg sitzt. Sie sind wie der Sommer, in dem das ganze Land mit Blüten übersät ist.« Und in diesem Augenblick bereute sie ihre Worte nicht mehr. Sie winkte dem Bai-Mädchen und rief laut: »Noch einen süßen Tee!«
    Rathenow wollte antworten, aber nun schaltete sich Hua ein. Sie hatte die ganze Zeit geschwiegen und zugehört, obwohl sie nichts verstand. Ärgerlich sagte sie jetzt:
    »Liyun, ich möchte wissen, worüber ihr euch unterhalten habt. Ich sitze ja wie doof herum.«
    »Ich habe Herrn Rathenow die Zeremonie erklärt und mit ihm darüber diskutiert. Weiter nichts.«
    »Wo sollen wir zu Mittag essen?«
    »Das ist deine Aufgabe. Du bist für Dali zuständig.«
    »In der Alten Stadt. Oder fahren wir wieder zum See? Dein Liebling will noch auf die ›Göttin-Insel‹ fahren.«
    »Er ist nicht mein Liebling«, sagte Liyun steif, »sondern ein berühmter Gast, den ich betreuen soll.«
    »Es gibt da viele Arten der Betreuung.«
    »Ich heiße Wang Liyun und nicht Pan Hua! Laß diese dummen Reden!«
    »Er ist ein schöner, interessanter Mann …«
    »Wenn du meinst. Du hast ja große Erfahrung mit Männern.«
    »Er mag dich.«
    »Dummheit!«
    »Ich kann es in seinen Augen lesen. Wie er dich anblickt … Ich würde rot werden.«
    »Du kannst nicht mehr rot werden.« Liyun starrte auf Huas dünne Seidenbluse.
    Liyun zahlte die Rechnung, als das Bai-Mädchen die zweite Tasse süßen Tee brachte, und Rathenow schlürfte ihn gehorsam. Sie sagt, ich sei noch nicht alt, dachte er und spürte ein merkwürdiges Glücksgefühl. Wie ein Sommer voller Blumen … ist es wirklich so? Habe ich im Laufe der vergangenen Jahre einen Teil meines Selbstbewußtseins verloren? Rathenow, kokettierst du nicht mit deinem Alter, um dann genußvoll Komplimente zu hören über dein jugendliches Aussehen? Die Eitelkeit des alternden Mannes, der zwanzig Jahre jünger sein möchte? Was ich da vorhin gesagt habe, Liyun, daß ich keine Angst habe vor dem Alter – alles Blödsinn! Natürlich habe ich Angst vor dem Alter. Ich tue alles, um das Altern von mir wegzuschieben. Jeden Morgen schwimme ich in meiner Schwimmhalle in Grünwald zehn Bahnen, boxe am Punchingball drei Runden und jogge durch den Wald. Ich spiele Tennis und Golf. Ich rauche nicht mehr, und auch das Saufen habe ich reduziert, ich ernähre mich naturbewußt und biologisch. Und einmal im Jahr lasse ich in einem Sanatorium eine Entschlackungskur über mich ergehen, um alle Giftstoffe aus meinem Körper auszuschwemmen. Nein, ich will nicht alt werden! Ich will noch mithalten können.
    Er trank den süßen Tee jetzt mit größtem Genuß. Liyun, du hast recht: Vom Leben liegt noch eine gute Strecke vor mir, und ich hoffe, daß sie noch voller Überraschungen ist.
    Als sie wieder hinunter vor das ›Südliche Tor‹ kamen, wartete Wen Ying schon vor seinem Wagen.
    »Wohin?« fragte er, als alle eingestiegen waren.
    »Zurück zum See. Zur Insel. Vorher essen wir bei Xie Fatang.«
    »Ich habe deinen Rat befolgt.« Ying grinste Hua an. »Ich war bei Tianlin.«
    »Wer ist Tianlin?«
    »Du kennst sie nicht? Du mußt sie kennen. Ein wunderschönes Hühnchen. Sie hat mir Dinge beigebracht, von denen ich keine Ahnung hatte. Kennst du Prenkhi? Die rhythmische Schaukel? Natürlich kennst du sie. Ich habe Tianlin gefragt, wo sie das alles gelernt hat, und sie hat geantwortet: Hua hat es mir beigebracht.«
    »Du sollst fahren!« schrie Hua ihn an. »Du bist ein Schwein!«
    Rathenow wandte sich zu Liyun. »Was hat sie?« fragte er. »Warum schreit Hua so?«
    »Ying ist auf dem rechten Ohr etwas schwerhörig«, sagte Liyun geistesgegenwärtig. »Ab und zu muß man ihn anbrüllen. Ihm ist bei einem Neujahrsfeuerwerk das Trommelfell geplatzt …«
    Ying startete den Motor und fuhr vom Parkplatz weg auf die Umgehungsstraße zum Erhai-See.
    Nach dem Mittagessen bei Xie Fatang, einem am See gelegenen, für die Touristen ›typisch chinesisch‹ eingerichteten Gasthaus mit vielen Schnitzereien an Decken und Wänden, rot, blau und golden lackiert, mit riesigen Panoramabildern an den Wänden und runden Fransenlampen mit goldenen Troddeln an der Decke, mit Götterstatuen und bunt bemalten Drachen und einem

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