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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zittern die Wände, so schnarche ich!«
    »Woher wissen Sie das? Sie schlafen doch.«
    »Man hat es mir gesagt.«
    »Wer? Eine Frau?«
    »Ja. Und ich habe zu ihr gesagt: Sei froh, wenn ich schnarche. Wenn ich stumm neben dir läge, wäre ich tot.«
    »Welch ein Gedanke! Bitte schnarchen Sie lange weiter!«
    »Ihr Kleid … haben Sie das immer im Gepäck, Liyun?«
    »Nein. Es gehört einer Freundin. Ich habe es mir für den heutigen Abend nur geliehen.«
    »Das war eine fabelhafte Idee. Mit diesem Kleid und dieser Frisur sehen Sie ganz anders aus.«
    »Aber ich bin es!« Sie lachte wieder. Überhaupt machte sie den Eindruck, als sei sie an diesem Abend völlig verändert, freier, glücklicher.
    »Ich habe noch gar keinen Hunger«, sagte er mit gepreßter Stimme. »Müssen wir jetzt schon essen gehen? Gibt es in Dali nicht ein Lokal, wo man tanzen kann?«
    »Später. Hier in der Bar. Aber die Band fängt erst um 21 Uhr an zu spielen. Sie können doch nicht nüchtern bleiben!«
    Nüchtern, dachte er. Ich bin betrunken von deiner Schönheit, merkst du das nicht, Liyun? Ich kann ja kaum noch normal atmen.
    »Draußen wartet ein Taxi auf uns«, fuhr sie fort. »Es bringt uns zu Xu Pingbo. Er ist der beste Koch von Dali. Ein kleines Restaurant in einem blühenden Garten. Von der Straße aus sieht man es nicht, nur eine alte Mauer und ein kleines Hinweisschild. Aber wie Xu Pingbo kocht, ist hohe Kunst. Frau Xu und zwei Töchter bedienen die Gäste, und wenn alle satt sind und Herr Xu gut gelaunt ist, sitzt er an der Tür und singt unsere Volkslieder. In der Bai-Sprache. Und die Töchter begleiten ihn mit Laute und Flöte. Das ist sehr romantisch.«
    »Für Touristen.«
    »Auch für uns. Wer von uns Jungen kennt noch die Bai-Sprache? Wir haben nur Han gelernt.«
    Das Gasthaus von Xu Pingbo lag wie eine blühende Oase zwischen den Häuserreihen der Alten Stadt. Xu empfing Rathenow und Liyun wie alte Freunde, schüttelte ihnen mit breitem Lächeln die Hände, stellte Rathenow seine Frau und seine Töchter vor und geleitete sie an ihren Tisch. Das Lokal war fast leer, aber die anderen Tische waren gedeckt, vor allem eine lange Tafel, die an der Hinterwand stand. Vier Chinesen saßen an zwei Tischen … drei an dem einen, ein einzelner Herr an dem anderen – ein schmächtiger, korrekt in einen Anzug gekleideter Mann. Er sah kaum auf, als Xu mit seinen Ehrengästen vom Hof hereinkam, aber aus den Augenwinkeln beobachtete er sie genau. Herr Shen hat wirklich recht, dachte er. Wang Liyun hat sich herausgeputzt, als ginge sie zu einer Hochzeit.
    Das Essen, das die beiden Töchter auftrugen, war unglaublich gut und vielfältig. Xu zauberte Gerichte, die Rathenow noch nie probiert hatte, und er fragte auch nicht mehr, woraus sie bestanden. Man soll genießen, ohne nachzudenken, dachte er. Ist es wichtig, ob der köstlich gewürzte Braten vom Hund oder von einer Schlange ist? Und die gesottenen Schwimmhäute von Enten und die wunderbar gewürzte Suppe von ausgekochten Hühnerköpfen schmeckten ihm ausnehmend gut.
    »Hua hat Glück«, sagte Liyun plötzlich und griff mit ihren Stäbchen nach einem Fleischstückchen. Rathenow aß mit Besteck, das er während seiner Reise immer bei sich trug. Er versuchte es zwar zuerst immer wieder, mit Stäbchen zu essen, aber es gelang ihm einfach nicht.
    »Glück? Wieso?«
    »Ihr Freund aus Hannover hat sie nach Deutschland eingeladen. Jetzt wartet sie auf die Genehmigung des Antrages. Ich beneide sie. Mich lädt keiner nach Deutschland ein.«
    »Würden Sie denn gerne nach Deutschland kommen?«
    »Oh, das wäre wundervoll. Deutschland muß ein sehr schönes Land sein. Wir haben im Studium viel davon gehört und gelesen. Die Loreley, der Rhein, Hamburg, der Schwarzwald, die Küsten der Nord- und Ostsee, das Ruhrgebiet, Bayern … wir haben oft im Germanistischen Seminar davon geträumt. Wir haben doch alle Ihre großen Dichter gelesen, moderne Romane und auch Reiseberichte eines gewissen Hans Rathenow.«
    »Jetzt flunkern Sie, Liyun!«
    »Nein. Ehrlich. Ich habe einige Ihrer Bücher gelesen – ›Das Geheimnis der philippinischen Wunderheiler‹ zum Beispiel und vieles mehr.«
    »Unglaublich. Davon hatte ich keine Ahnung. Sie wußten also, wer ich bin, als Sie mich in Kunming abholten?«
    »Natürlich, und ich war mächtig gespannt auf Sie. Nun sitzen Sie mir gegenüber – kaum zu glauben.« Sie griff mit ihren Stäbchen wieder nach einem Stück Gemüse. »Und nun hat Hua das Glück, in Ihr Land zu

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