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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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doch Herrn Rathenow nichts an«, fiel sie ihm ins Wort. »Außerdem haben wir nie so deutlich darüber gesprochen.«
    Warum leugnest du? dachte Rathenow und spürte wieder den Druck in der Brust. Natürlich wirst du ihn heiraten, Kinder bekommen und eine treue chinesische Mutter sein. Ich brauche doch nur in deine Augen zu schauen, um zu sehen, wie glücklich du bist, heute neben Zhi sitzen zu können. Eine strahlende junge Frau … Und dann dachte er: Verdammt, du Muskelprotz, nimm deine Hand von ihren Händen! Hör auf, sie zu streicheln! Heb dir das für später auf. Später! Was wird später sein? Der Druck in seiner Brust verstärkte sich.
    »Wir haben nie darüber gesprochen, Zhi. Bitte, laß das.«
    Sie sagte es auf chinesisch, und Zhi antwortete in Englisch, damit auch Rathenow es verstand. Das fiel ihm plötzlich auf. Er sah Liyun wie strafend an und fragte:
    »Ich denke, Liyun, Sie können kein Englisch?«
    »Nur ein bißchen.« Jetzt sprachen sie wieder Deutsch. »Aber was Zhi sagt, verstehe ich immer. In jeder Sprache. Er fragt immer das gleiche: ›Wann heiraten wir?‹«
    »Wann heiraten Sie denn wirklich, Liyun?«
    »Darüber haben wir heute schon einmal gesprochen.«
    »Da wichen Sie mir aus. Sie sagten: Vielleicht. Jetzt habe ich Zhi kennengelernt und habe keine Zweifel mehr: Er paßt zu Ihnen. Er ist ein attraktiver Mann.«
    »Sprecht ihr von mir?« fragte Zhi. »Ich habe meinen Namen gehört.«
    »Ich habe Liyun gefragt, wann Sie heiraten.«
    »Sofort – wenn sie will.«
    »Aber sie will doch!«
    »Sehen Sie das so?«
    »Da gibt es gar keine Zweifel.«
    »Vielleicht reden Sie einmal mit ihr. Ein Jahr lang sage ich nichts anderes: Wann heiraten wir?«
    »Ich soll für Sie den Brautwerber spielen? Ist das nicht etwas sonderbar?«
    »Warum? Liyun hört auf andere mehr als auf mich. Sie will immer zeigen, wie stark, wie selbstständig, wie unabhängig sie ist … und dabei sucht sie doch nur Zärtlichkeit. Geborgenheit und Zärtlichkeit.«
    Du mußt es wissen, dachte Rathenow grimmig. Du hältst sie ja im Arm! Aber warum sagt sie ›vielleicht‹ und läßt sich nicht fallen in diese Geborgenheit und Zärtlichkeit? Du wirst bestimmt ein guter Ehemann sein, du bist stark und selbstsicher und hast als Journalist Bildung und Klugheit. Du paßt zu ihr. Aber mich zu bitten, für dich um Liyuns Hand anzuhalten, ist eine Zumutung!
    »Vielleicht machen Sie etwas falsch, Zhi?« sagte er.
    »Was denn? Bitte, geben Sie mir einen Rat. Sie sind so viel älter und erfahrener.«
    Du Saukerl, tobte es in Rathenow. Ich bin kein weiser Greis, der dir im Sand mit einem Stöckchen vorzeichnet, wie du dich auf Liyun legen sollst. Ich bin noch jung. Jünger, als ihr alle denkt! Natürlich versage ich beim 100-Meter-Lauf und beim Turnen am Reck, aber von dieser Art von Sport habe ich nie viel gehalten. Aber ich kann schwimmen, ich spiele Tennis und Golf – Handicap 19 –, das mach mir erst einmal nach. Muskeln sind nicht alles.
    »Ich kann Ihnen nicht raten«, sagte Rathenow und zwang sich dazu, höflich zu sein. »Das müssen Sie schon allein machen. Ich kenne Liyun ja kaum. Wie wird sie reagieren, wenn ich ihr sage: Heiraten Sie Zhi?«
    »Ich weiß es nicht. Aber eine Antwort muß sie Ihnen ja geben. Versuchen Sie es, bitte!«
    Rathenow war ehrlich verblüfft. Er meint's wirklich so. Er sucht Hilfe. Er läuft wie durch ein Labyrinth und findet den Ausgang nicht. Fast hätte er Mitleid gehabt mit ihm, aber dann sah er Liyun an, und der Anflug von Loyalität verschwand.
    Liyun beugte sich etwas über den Tisch und klopfte mit der Faust auf die Marmorplatte.
    »Über was redet ihr da?« fragte Liyun in diesem Augenblick auf chinesisch. »Zhi, es ist unhöflich, sich zu unterhalten und ich verstehe kein Wort davon.«
    »Es ist wirklich eine schwierige Situation.« Zhi hob sein Glas. Der Kellner hatte mittlerweile den Wein gebracht. »Er kann kein Chinesisch, du kein Englisch, ich kein Deutsch. Einer muß immer nur zuhören. Was kann man tun?«
    »Ich könnte ja übersetzen …«
    »Es gibt Dinge, die kann man nur unter Männern besprechen.«
    »Und ihr habt solche ›Dinge‹ besprochen?«
    »Im … weitesten Sinne …«
    »Dann komm wieder näher und laß uns trinken!« Liyuns Stimme klang heiser. Zhi schmerzte dieser Spott, und im stillen dachte er: Warte nur, bis wir verheiratet sind. Dann ist es vorbei mit deinem Hohn. Du wirst deinen Mann ehren und ihm nicht widersprechen, du wirst ihm gehorsam sein, denn er ist das

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