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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Freund.«
    Zhi und Rathenow sahen sich kurz an, dann streckte Zhi die Hand aus. Sein Händedruck war kräftig. Seine Augen, mandelförmig wie die Augen von Liyun, blickten dabei auf das Mädchen. Er war ein Bai und stolz darauf, anders auszusehen als die Masse.
    »Ich freue mich«, sagte Zhi in perfektem Englisch. Er hatte es während seines Studiums in Peking bei einem Sekretär der britischen Botschaft gelernt, der sein nicht gerade üppiges Gehalt durch Privatstunden aufbesserte. »Liyun hat mir von Ihnen erzählt«, fuhr Zhi in seiner höflichen Begrüßung fort.
    »So? Hat sie das?« Rathenows Antwort klang steif, ja fast ablehnend.
    »Sie sind ein bekannter Reiseschriftsteller aus Deutschland.«
    »Ich bin in erster Linie Ethnologe. Das Schreiben ist eine Art Hobby von mir.«
    »Ein sehr erfolgreiches. Man kennt Ihren Namen sogar in China.«
    »Sie auch?«
    »Ich bin Journalist.«
    »Ich weiß.«
    »Sportjournalist. Mein Arbeitsfeld sind die Sportstadien, da kenne ich mich aus.«
    »Jeder hat sein Spezialgebiet. Sie lesen keine Bücher?«
    Das war schon eine provokante Frage, oder – sportlich ausgedrückt – ein Schlag in die Magengrube. Zhi nahm ihn hin. Er schien es gar nicht zu bemerken.
    »Das ist Liyuns Spezialgebiet. Sie ist viel klüger als ich. Sie kann tagelang lesen und behält sogar, was sie gelesen hat. Und dann erzählt sie es mir.« Er lachte kurz auf. »So erspare ich mir das Lesen. Ich gebe zu: Ich war gespannt darauf, Sie kennenzulernen.« Und dann schlug Zhi zurück, kalt, trocken und genau auf den Punkt: »Als Liyun mich heute mittag vom Hotel aus anrief und sagte, wir gehen zusammen zum Tanzen in die Bar, da habe ich alles andere abgesagt.«
    Der Hieb saß und hinterließ Wirkung bei Rathenow. So also ist das, dachte er, und sein erster Impuls war, sich umzudrehen und die beiden allein zu lassen. Deshalb das Kleid, deshalb die neue Frisur, deshalb das Make-up, deshalb die freudige Stimmung – sie hat das alles für ihn getan, nicht für mich. Du bist ein Idiot, Rathenow, ein alter, vertrottelter, der Senilität entgegenschwankender Clown. Hast du wirklich gedacht, sie interessiert sich für dich? Du bist für sie ein bevorzugter Gast aus Deutschland, weiter nichts. Was hast du sonst von ihr erwartet? Nimm dir den nächsten Spiegel und blick hinein! Was siehst du da? Einen weißhaarigen Kerl, der ihr Vater sein könnte.
    »Was stehen wir hier herum?« fragte Liyun in Rathenows zerstörerische Gedanken hinein. »Zhi, hast du einen guten Tisch bekommen?«
    »Dort in der Ecke. Der einzige Platz, wo man sich noch bewegen kann. Darf ich vorausgehen?«
    Er wartete keine Antwort ab, faßte Liyun unter und schob sich mit ihr durch das Gedränge der Tanzenden. Rathenow folgte ihnen wie ein Hund seinem Herrn.
    Ich werde mich mit Magenbeschwerden entschuldigen und gehen, nahm sich Rathenow vor. Was soll ich hier? Hinauf aufs Zimmer, Mao Tai mitnehmen und mich besaufen. Das bleibt mir übrig von allen dummen Illusionen.
    Aber er verabschiedete sich nicht. Er folgte den beiden, starrte auf Zhis breite muskulöse Schultern und auf seinen rechten Arm, der sich um Liyuns Hüfte legte. Er spürte einen schmerzhaften Stich in der Herzgegend.
    Zhi wartete, bis sich Liyun an den Tisch gesetzt hatte. Manieren hat er, dachte Rathenow giftig.
    Es war ein runder Tisch mit einer geschliffenen Marmorplatte. Rathenow machte es sich auf dem Stuhl mit der hohen geschnitzten Lehne bequem und bemühte sich, charmant wie immer zu sein. Liyun schien im Glück zu schwimmen; ihre Augen leuchteten, ihre rot geschminkten Lippen vibrierten, ihre kleinen zarten Finger spielten mit dem bemalten Kerzenleuchter aus Porzellan.
    »Liyun hat mir auch von Ihnen erzählt«, nahm Rathenow den Kampf auf.
    »Hat sie das?« Zhi tätschelte Liyuns Hand und sah sie liebevoll an. »Was hat sie erzählt?«
    »Wenig. Nur, daß es Sie gibt.«
    Shen Zhi nahm den neuen Schlag gelassen hin. Er bestellte bei dem Kellner eine Flasche chinesischen Weißwein, der besser war als sein Ruf, fruchtig und trocken. Aber bevor der Kellner die Flasche brachte und entkorkte, schlug Zhi wieder zurück. Mit dem feinen Gespür des Asiaten erkannte er, daß dieser Deutsche in Liyun mehr zu sehen begann als eine ihm zugeteilte Reiseleiterin. Drei Wochen lagen vor ihnen, drei Wochen in der Einsamkeit im Hochland des Mosuo-Volkes. Es war kein guter Gedanke für Shen Zhi.
    »Hat Liyun Ihnen erzählt, daß wir heiraten wollen?« fragte er leichthin.
    »Zhi, das geht

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