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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Getränk der Mosuos, als sei er Quellwasser. Gegen Mitternacht fiel er um und wurde von drei Männern zu seinem Quartier getragen.
    »Und morgen früh will er fahren?« sagte Rathenow skeptisch. »Ich sehe schwarz.«
    »Ying schafft das.« Liyun faßte Rathenow an beiden Händen und drehte sich mit ihm im Kreis. »Sie haben bei den Mosuos einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen.«
    »Nur bei den Mosuos?«
    Liyun antwortete, wie immer, nicht auf diesen Vorstoß. Sie ließ Rathenow los und reihte sich wieder in die tanzende Gruppe der Dorfbewohner ein.
    Nun war es Morgen, der Wagen stand vor dem Haus des Bürgermeisters, Ying war munter wie sein großer schwarzer Vogel, der singend in seinem Käfig von Stange zu Stange hüpfte. Der Bürgermeister und seine alte Mutter standen draußen vor der Tür, das Pockengesicht Wu Shouzhi lehnte am Türbalken, eine große lederne Reisetasche vor sich. Seine Aufgabe am Lugu-See war beendet. Er hatte viel nach Kunming zu berichten. Shen Jiafu würde sehr zufrieden sein.
    Der Ehemann von Liyuns Gastwirtin trug ihr das Gepäck. Rathenows zwei schwere Koffer schleppte eine kräftige Frau heran. Sie hatte die Koffer auf ein Tragbrett geschnallt, das auf ihrem Rücken festgebunden war und auf dem sie sonst Gemüsekörbe, die großen Reisigbündel oder die Felssteine zum Bauen ins Dorf trug. Es wäre eine Beleidigung gewesen, wenn Rathenow ihr diese Arbeit abgenommen hätte.
    Wu Shouzhi besaß die Frechheit, Liyun zu fragen, ob er bis Zhongdian mitfahren dürfe.
    »Ich habe nichts dagegen«, antwortete Liyun auf Wus Frage. »Wenn es Herrn Rathenow angenehm ist. Du mußt neben ihm sitzen.«
    »Was soll er dagegen haben?« Wu grinste breit. »Ich stinke nicht. Ich habe mich in der Holzwanne des Bürgermeisters heiß gewaschen.«
    »Wu möchte mit uns fahren«, sagte Liyun zu Rathenow. »Sagen Sie nein!«
    »Warum? Wenn wir den gleichen Weg haben – ich habe nichts dagegen«, antwortete er ahnungslos.
    »Ich mag ihn nicht.«
    »Das weiß ich. Aber es wäre unhöflich, ihn nicht mitzunehmen.«
    »Ich kann sagen, den Platz brauchten Sie.«
    »Das wird er nicht glauben. Im Wagen ist Platz genug.«
    Liyun hob die Schultern, seufzte und wandte sich an Wu. »Du kannst mitfahren. Aber mach dich nicht zu breit … der Herr möchte bequem reisen.«
    »Ich werde mich dünn machen wie ein Aal.«
    Wu stieg als erster in den Wagen. Rathenow gab der alten Mutter und dem Bürgermeister die Hand und bedankte sich für die Gastfreundschaft der Mosuos. »Ich werde das Dorf, den Lugu-See und Ihren Stamm nie vergessen«, sagte er. »Es war mein schönstes Erlebnis.«
    Wu beugte sich aus dem Wagen und übersetzte es. Und der Bürgermeister antwortete: »Du hast die Gnade der Göttin Guanyin erfahren, du bist unser Freund. Lebe lange und denke an uns!«
    Als sie abfuhren und Ying seine Hupe ertönen ließ, winkten ihnen der Bürgermeister und seine Mutter nach, und eine Schar Kinder lief schreiend und gestikulierend neben dem Wagen her, bis Ying richtig Gas gab.
    In Zhongdian, der Kreisstadt, verließ Wu den Wagen, nachdem sie die halsbrecherische Fahrt durch das Gebirge mit Yings Fahrkunst und dem Mao Tai-Schnaps ohne Zwischenfall bewältigt hatten. Auch Wu winkte ihnen nach, nahm dann seine Reisetasche vom Boden und trottete davon. Auf dem Postamt ließ er sich mit Kunming verbinden. Er hatte Glück, Shen Jiafu noch anzutreffen.
    »Sie fahren jetzt weiter nach Lijiang«, sagte er. »Ich habe viel zu berichten. Das Wichtigste: Sie lieben sich …«
    »Eine gute Nachricht, Shouzhi. Haben sie miteinander geschlafen?«
    »Das nicht … aber ihre Zärtlichkeit zueinander konnten sie nicht mehr verbergen.«
    »Es wäre uns lieber gewesen, wenn sie übereinander gelegen hätten.«
    »Darauf hatte ich keinen Einfluß, Herr Shen.« Wu lachte laut. Der Gedanke amüsierte ihn. »Vielleicht ist er schon zu alt dazu und hat Mühe, einen anständigen Aufrechten zu bekommen.« Er bog sich vor Lachen, aber Shen blieb kühl.
    »Erzähl weiter! Jede Kleinigkeit.«
    In Kunming setzte man von allen Berichten aus Dali, Lijiang und vom Lugu-See wie aus Steinchen ein Mosaik zusammen. So entstand ein Bild von Liyun und Rathenow, das sehr befriedigend war. Shen legte es seinem Chef, dem mächtigen und angesehenen Kewei Tuo, vor. Der ›Direktor‹ nickte mehrmals und blickte Shen wohlwollend an.
    »Eine gute Arbeit«, lobte er, »ich werde sie weitergeben nach Hongkong und den ›Hohen Rat‹ einberufen. Ich glaube, wir haben

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