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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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unseren Mann. Die Idee der ›Führung‹ war gut, auch wenn es nur ein Experiment ist. Aus Experimenten kann Neues geschaffen werden. Bis 1997, bis Hongkong von Beijing beherrscht wird, muß sich noch vieles ändern. Und die Zeit eines Menschenlebens ist kürzer als ein Vogelflug. Du hast bei uns einen guten Namen bekommen, Shen Jiafu.«
    *
    Die Rückfahrt nach Kunming dauerte knapp vier Tage. Sie übernachteten wieder in Lijiang und Dali, beobachtet von den örtlichen Beauftragten der ›Firma‹, aber es geschah nichts Auffälliges. Liyun traf Zhi nicht wieder, sie rief ihn aus dem Hotel auch nicht an. Auch Hua wurde nicht benachrichtigt. Es war, als sei nach dem Verlassen des Lugu-Sees die innere Spannung gebrochen: Die Rückkehr in eine normale Welt schien in der Nüchternheit zu enden.
    Nur noch einmal wurde der Alltag durchbrochen. Es war in der kleinen Stadt Chu Xiong zwischen Dali und Kunming an der Burmastraße. Hier verlor Wen Ying seinen schönen, geliebten Vogel.
    Schon als sie in das Städtchen einfuhren, sahen sie überall Männer, die an ihren Rädern Vogelkäfige hängen hatten und einem Hügel zustrebten, der sich zwischen den Äckern erhob und an dessen Flanke man aufrecht stehende Steinplatten, Steinsäulen und bunten Bänderschmuck sah. Ein Friedhof. Ying hielt den Wagen an, beugte sich aus dem Fenster und rief einen Radfahrer an, der an ihm vorbeifuhr, seinen Vogelkäfig auf den Rücken geschnallt.
    »Wohin?« schrie er. »Gibt es heute einen Vogelkampf?«
    »Ja, es gibt einen Vogelkampf. Mit guten Preisen.« Der Radfahrer strampelte neben dem Wagen her. »Wir kommen von weit her. Es ist ein großes Ereignis! Hast du einen Vogel mit?«
    »Habe ich.«
    »Dann verpasse den Kampf nicht. Jeder kann sich melden. Bis nachher, Genosse.«
    Ying straffte sich, blickte hinüber zu der Straße, die zum Hügel führte und auf der nicht nur Radfahrer mit ihren Vögeln waren, sondern auch viele Männer zu Fuß, ihren Vogelbauer in der Hand, zugedeckt mit einem Tuch, denn ein Kampfvogel ist ein wertvolles Tier, sehr sensibel, sehr nervös, und er könnte von dem Getümmel um ihn herum erschreckt werden. Kurz vor der Kreuzung der beiden Straßen verringerte Ying die Geschwindigkeit und bog in die Hügelstraße ein.
    »Darauf habe ich gewartet!« sagte Liyun zu Rathenow. »Ying hätte mich enttäuscht, wenn er weitergefahren wäre. Ein Chinese, der einen Kampfvogel besitzt, kann einer solchen Aufforderung nicht widerstehen.« Sie lachte kurz auf. »Sie sehen wirklich vieles, was Touristen sonst nie sehen.«
    Vor dem Hügel hielt Ying an. Eine Schlange von Menschen mit Vogelkäfigen in den Händen stieg über lehmige Stufen den Hügel hinauf, vorbei an dem Friedhof, und immer höher, bis sie die flache Kuppe erreicht hatten. Um einen ebenen Platz hatten sich schon Hunderte Menschen im Kreis versammelt, an den Baumzweigen baumelten ungezählte Käfige, und immer neue ›Kämpfer‹ wurden den Hügel hinaufgetragen. Ying hatte seinen Käfig auf die Schulter gesetzt, er war der einzige, der seinen Vogel nicht zugedeckt hatte. Das Tier bedankte sich bei ihm, indem es jeden anderen Käfig, an dem sie vorbeigingen, anfauchte, sich aufplusterte und sogar zu spucken begann.
    Ying meldete sich bei den Preisrichtern, zeigte sein Prachtexemplar, bekam eine Nummer und wartete dann, bis er aufgerufen wurde. Es war der neunzehnte Kampf, hatte das Los entschieden. Ying stellte seinen Käfig in den Kreis und musterte den Gegner. Es war ein grüngrauer Vogel mit einem gebogenen Schnabel, der mit böse funkelnden Augen sein schwarzes Gegenüber anblickte.
    Während die Besitzer die Käfige aneinanderstellten, begannen die Wetten der Zuschauer.
    »Dein Vogel hat einen verstopften Arsch!« sagte Ying zum Besitzer des Gegnervogels.
    Und der antwortete ebenso grimmig: »Dein Krüppel pißt schon vor Angst. In einer Minute kennst du ihn nicht wieder. Kannst ihn am Abend in der Pfanne braten.«
    »Seid ihr bereit?« rief der Kampfrichter. Er saß hinter einem Tisch und notierte die Wetten.
    »Bereit!« schrie Ying zurück.
    Auf ein »Los!« rissen die beiden Besitzer die Türen der Käfige hoch und traten zurück.
    Zunächst geschah gar nichts. Während die anderen Vögel sofort losgestürzt waren, blieben der Grüne und der Schwarze ruhig in ihren Käfigen sitzen und starrten sich an.
    »Jetzt zittert deinem Liebling der Schwanz!« rief Ying dem Gegner zu.
    »Und deiner schläft gleich ein!«
    »Er hat Mitleid mit der

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