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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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fahlem Haar und fahlen Augen. «Komm», flüstert sie.
      Ich sehe mich um. Verdammt, denke ich, wenn Bodendiek jetzt käme! Oder Wernicke oder eine der Schwestern, und ich ärgere mich, daß ich es denke. Isabelle würde es nie denken. Sie steht vor mir wie ein Lufgeist, der einen Körper angenommen hat, bereit, wegzufliegen.
      «Du mußt dich anziehen», sage ich.
      Sie lacht. «Muß ich das, Rudolf?» fragt sie spöttisch und hat keine Schwerkraf, ich aber habe alle Schwerkraf der Welt.
      Langsam kommt sie näher. Sie greif nach meiner Krawatte und zerrt sie los. Ihre Lippen sind ohne Farbe, graublau im Mond, ihre Zähne sind kalkweiß, und selbst ihre Stimme hat ihre Farbe verloren. «Nimm das weg!» flüstert sie und reißt mir den Kragen und das Hemd auf. Ich fühle ihre Hände kühl auf meiner nackten Brust. Sie sind nicht weich; sie sind schmal und hart und greifen mich fest an. Ein Schauer läuf über meine Haut. Etwas, was ich nie in Isabelle vermutet habe, bricht plötzlich aus ihr heraus, ich spüre es wie einen hefigen Wind und einen Stoß, es kommt von weit her und hat sich in ihr zusammengedrängt, wie der sanfe Wind weiter Ebenen in einem Engpaß zu einem jähen Sturm. Ich versuche ihre Hände festzuhalten und sehe mich um. Sie stößt meine Hände beiseite. Sie lacht nicht mehr; in ihr ist auf einmal der tödliche Ernst der Kreatur, für die Liebe überflüssiges Beiwerk ist, die nur ein Ziel kennt und der es nicht zuviel erscheint, zu sterben, um es zu erreichen.
      Ich kann sie nicht weghalten. Von irgendwo ist ihr eine Stärke zugeweht, gegen die ich nur Gewalt anwenden könnte, um sie abzuwehren. Um es zu vermeiden, ziehe ich sie an mich. Sie ist so hilfloser, aber sie ist jetzt näher bei mir, ihre Brüste drängen sich gegen meine Brust, ich fühle ihren Körper in meinen Armen und ich spüre, wie ich sie dichter an mich ziehe. Es geht nicht, denke ich, sie ist krank, es ist Vergewaltigung, aber ist nicht alles Vergewaltigung, immer? Ihre Augen sind dicht vor mir, leer und ohne Erkennen, starr und durchsichtig. «Angst», flüstert sie. «Immer hast du Angst!»
      «Ich habe keine Angst», murmele ich.
      «Wovor? Wovor hast du Angst?»
      Ich antworte nicht. Es ist plötzlich keine Angst mehr da. Isabelles graublaue Lippen pressen sich gegen mein Gesicht, kühl, nichts an ihr ist heiß, ich aber fröstle von einer kalten Hitze, meine Haut zieht sich zusammen, nur mein Kopf glüht, ich spüre Isabelles Zähne, sie ist ein schmales, aufgerichtetes Tier, sie ist ein Schemen, ein Geist aus Mondlicht und Gier, eine Tote, eine lebende, auferstandene Tote, ihre Haut und ihre Lippen sind kalt, Grauen und eine verbotene Lust wirbeln durcheinander, ich reiße mich mit Gewalt los und stoße sie zurück, daß sie fällt –
      Sie steht nicht auf. Sie kauert am Boden, eine weiße Eidechse, und zischt Flüche gegen mich, Beleidigungen, einen Strom von geflüsterten Fuhrmannsflüchen, Soldatenflüchen, Hurenflüchen, Flüchen, die ich nicht einmal alle kenne, Beleidigungen, die treffen wie Messer und Peitschenhiebe, Worte, die ich nie bei ihr vermutet hätte, Worte, auf die man nur mit den Fäusten antwortet.
      «Sei ruhig», sage ich.
      Sie lacht. «Sei ruhig!» macht sie mich nach. «Das ist alles, was du weißt! Sei ruhigl Geh zum Teufel!» zischt sie plötzlich lauter. «Geh, du Jammerlappen, du Eunuch –»
      «Halt den Mund», sage ich aufgebracht. «Oder –»
      «Was, oder? Versuch es doch!» Sie wölbt sich mir entgegen wie ein Bogen, auf dem Boden, die Hände rückwärts gestützt, in einer schamlosen Gebärde, den Mund geöffnet zu einer verächtlichen
    Grimasse.
      Ich starre sie an. Sie sollte mich anwidern, aber sie widert mich nicht an. Sie hat selbst in dieser obszönen Stellung nichts mit Hurentum zu tun, trotz allem, was sie ausspeit und tut, es ist etwas Verzweifeltes und Wildes und Unschuldiges darin und in ihr, ich liebe sie, ich möchte sie hochnehmen und forttragen, aber ich weiß nicht wohin, ich hebe meine Hände, sie sind schwer, ich fühle mich trostlos und hilflos und kleinbürgerlich und provinziell.
      «Scher dich weg!» flüstert Isabelle vom Boden her. «Geh! Geh! Und komm nie wieder! Wage nicht, wiederzukommen, du Greis, du Kirchendiener, du Plebejer, du Kastrat! Geh, du Tölpel, du Narr, du Krämerseele! Wage nicht wiederzukommen!»
      Sie sieht mich an, auf den Knien jetzt, der Mund ist klein geworden, die Augen sind flach und

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