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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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schieferfarben und böse. Mit einem schwerelosen Satz springt sie auf, greif den weiten blauen Rock und geht davon, rasch und schwebend, sie tritt aus der Allee in das Mondlicht auf hohen Beinen, eine nackte Tänzerin, den blauen Rock wie eine Fahne schwenkend.
      Ich will ihr nachlaufen, ihr zurufen, sich anzuziehen; aber ich bleibe stehen. Ich weiß nicht, was sie als nächstes tun wird – und mir fällt ein, daß es nicht das erstemal ist, daß jemand hier oben nackt an der Eingangstür erscheint. Besonders Frauen tun das of.
      Langsam gehe ich durch die Allee zurück. Ich ziehe mein Hemd zurecht und fühle mich schuldig, ich weiß nicht warum.

    Spät höre ich Knopf kommen. Sein Schritt beweist, daß er ziemlich voll ist. Mir ist wahrhafig nicht danach zumute, aber gerade deshalb begebe ich mich an das Regenrohr. Knopf bleibt in der Hofür stehen und überblickt als alter Soldat zuerst ein mal das Gelände. Alles ist still. Vorsichtig nähert er sich dem Obelisken. Ich habe nicht erwartet, daß der Feldwebel a. D. seine Gewohnheit schon nach einem einzigen Schreckschuß aufgeben würde. Er steht jetzt in Bereitschafsstellung vor dem Grabstein und wartet wieder. Vorsichtig geht Knopf noch einmal umher. Darauf macht der gewiegte Taktiker ein Scheinmanöver; die Hände gehen herunter, aber es ist Bluff, er horcht nur. Dann, als wieder alles still bleibt, stellt er sich genießerisch hin, ein Lächeln des Triumphes um seinen Nietzscheschnurrbart, und läßt sich gehen.
      «Knopf!» heule ich gedämpft durch die Dachröhre. «Du Schwein, bist du wieder da? Habe ich dich nicht gewarnt?»
      Der Wechsel in Knopfs Gesicht ist nicht schlecht. Ich habe immer dem Ausdruck mißtraut, daß jemand vor Entsetzen die Augen aufreiße; ich dachte, man kniffe sie eher zu, um schärfer zu sehen; aber Knopf reißt sie tatsächlich auf wie ein erschrecktes Pferd bei einem schweren Granateinschlag. Er rollt sie sogar.
      «Du bist nicht würdig, ein Feldwebel der Pioniere a. D. zu sein», erklare ich hohl. «Hiermit degradiere ich dich! Ich degradiere dich zum Soldaten zweiter Klasse, du Pisser! Tritt ab!»
      Ein heiseres Bellen entringt sich Knopfs Kehle. «Nein! Nein!» krächzt er und sucht die Stelle zu erkennen, von wo Gott spricht. Es ist die Ecke zwischen dem Tor und seiner Hauswand. Kein Fenster, ist dort, keine Öffnung, er begreif nicht, woher die Stimme kommt.
      «Aus ist es mit dem langen Säbel, der Schirmmütze und den Litzen!» flüstere ich. «Aus mit der Extrauniform! Von jetzt an bist du Pionier zweiter Klasse, Knopf, du Saubesen!»
      «Nein!» heult Knopf, ins Kerngehäuse getroffen. Eher kann man einem echten Teutonen einen Finger abschneiden, als ihm seinen Titel nehmen. «Nein! Nein!» flüstert er und hebt die Pfoten
    ins Mondlicht.
      «Zieh dich anständig an», kommandiere ich und denke plötzlich an all das, was Isabelle mir zugerufen hat, und fühle einen Stich im Magen, und das heulende Elend stürzt wie Hagel auf mich los.
      Knopf hat gehorcht. «Nur nicht das!» krächzt er noch einmal, den Kopf weit zurückgelegt zu den mondbeschienenen Schäferwolken hinauf. «Nicht das, Herr!»
      Ich sehe ihn dastehen wie das Mittelstück der Laokoongruppe, ringend mit den unsichtbaren Schlangen der Ehrlosigkeit und der Degradierung. Er steht so ähnlich da wie ich vor einer Stunde, fällt mir ein, während mein Magen wieder zu sieden beginnt. Unerwartetes Mitleid erfaßt mich; für Knopf und für mich. Ich werde menschlicher. «Also gut», flüstere ich. «Du verdienst es nicht, aber ich will dir noch eine Chance geben. Du wirst nur zum Gefreiten degradiert, und auch das auf Probe. Wenn du bis Ende September pißt wie ein zivilisierter Mensch, wirst du zum Unteroffizier zurückbefördert; bis Ende Oktober zum Sergeanten; Ende November zum Vizefeldwebel; zu Weihnachten dann wieder zum etatsmäßigen Kompaniefeldwebel a. D., verstanden?»
      «Jawohl, Herr – Herr –» Knopf sucht nach der richtigen Anrede. Ich fürchte, daß er zwischen Majestät und Gott schwankt, und unterbreche ihn rechtzeitig. «Das ist mein letztes Wort, Gefreiter Knopf! Und glaube nicht, du Schwein, daß du nach Weihnachten wieder anfangen kannst! Dann ist es kalt, und du kannst deine Spuren nicht verwischen. Sie frieren fest. Stell dich nur noch einmal an den Obelisken, und du wirst einen elektrischen Schlag und eine Prostata-Entzündung bekommen, daß du krumme Beine vor Schmerz kriegst. Und nun fort mit dir,

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