Der Schwarze Orden
nicht beeindruckt zu zeigen. Und das Englisch des Anrufers war eine Spur zu korrekt. Diese betont deutliche Aussprache war ihr vor allem an gebildeten Arabern schon des öfteren aufgefallen.
»Meine Beste« – die Anrede ließ Paula innerlich zusammenzucken – »worum es bei dieser Angelegenheit geht, kann ich Ihnen leider nicht am Telefon erklären. Dafür ist die Sache zu wichtig.«
»Wo und wann können Sie es mir dann erklären?« wollte Paula wissen.
»Was halten Sie davon, wenn wir uns heute mittag gegen ein Uhr auf dem Zürichberg treffen? Sie nehmen die Straßenbahn…« »Ich weiß, wie man dorthin kommt.«
»Ich werde auf einer Bank nicht weit von der Haltestelle warten. Und ich muß unbedingt darauf dringen, daß Sie allein kommen. Sollte ich irgendwelche Hinweise darauf entdecken, daß Sie in Begleitung sind, werde ich mich auf der Stelle…«
»In Luft auflösen?«
»Wi e bitte?«
»Nichts. Woran erkenne ich Sie? Jeder könnte auf die Idee kommen, sich auf eine Bank zu setzen.«
»Darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen, Miss Grey. Ich werde einen Panamahut und eine Sonnenbrille tragen.«
»Und Kleider doch hoffentlich auch.«
»Aber natürlich. Ich finde nicht, daß diese Bemerkung nötig war.«
»Meinetwegen. Dann also heute mittag auf dem Zürichberg. Wiedersehen.«
Paula setzte sich, um nachzudenken. Sie sah auf die Uhr. Elf Uhr. Sie hatte noch jede Menge Zeit, um sich zu entscheiden, ob sie dieser seltsamen Einladung nachkommen sollte. Normalerweise hätte sie erst Tweed um Rat gefragt, bevor sie etwas unternahm, aber sie wußte, er war gerade sehr beschäftigt. Außerdem kam ihr plötzlich ein komischer Gedanke, den sie jedoch sofort wieder als zu verrückt abtat.
Nachdem sie eine Weile nachgedacht hatte, ging sie ins Bad, um sich umzuziehen und etwas herzurichten. Sie band ihr Haar nach hinten – was sich bei dieser Hitze von selbst anbot. Dann machte sie sich daran, sich sorgfältig zu schminken.
Im nachhinein wäre es ihr schwer gefallen zu erklären, warum sie das alles getan hatte.
Hätte jemand auf eine Antwort gedrängt, hätte sie vielleicht gesagt, eine Art sechster Sinn hätte sie dazu veranlaßt. Schließlich schlüpfte sie in einen hellblauen Hosenanzug, dessen Jacke auf der linken Seite eine versteckte Innentasche hatte.
Sie steckte die große Sonnenbrille in ihre Umhängetasche und verstaute die Browning in dem Spezialfach an der Seite. Dann ging sie zu Marlers Zimmer.
»Haben Sie in dem Waffenarsenal, das Sie aus Wien mitgebracht haben, vielleicht auch eine Beretta für mich?« fragte sie, als sie eingetreten war und Marler die Tür verschlossen hatte.
»Ob Sie es glauben oder nicht, ja. Aber normalerweise tragen Sie doch keine Automatik.«
»Nein, normalerweise nicht«, bestätigte sie ihm lächelnd.
»Geht mich wohl nichts an, wie?« Er grinste ebenfalls. »Ich hole sie Ihnen. Munition brauchen Sie vermutlich auch, oder? Weiß Tweed davon?«
»Natürlich.«
Sie sagte nicht gern die Unwahrheit, aber in diesem Fall war es nötig.
Hassan hatte Karin Bergs Idee zunächst sehr skeptisch aufgenommen. Er konnte sich nicht vorstellen, daß Paula Grey auf so etwas einsteigen würde. Und er war noch bis unmittelbar, bevor er sie anrief, unschlüssig gewesen, ob er sich tatsächlich auf dem Zürichberg mit ihr treffen sollte.
Doch dann hatte Paulas energisches Auftreten alle seine Zweifel ausgeräumt. Ihm hatte zwar nicht gefallen, wie sie mit ihm gesprochen hatte, aber dieses Problem hatte er auch mit den drei anderen Ordensschwestern. Um ihren Job machen zu können, mußten sie knallhart und total abgebrüht sein. Und vor allem auch scharf auf Geld.
Nach diesen Kriterien hatte Paula die höchstmögliche Punktezahl erreicht. Sie hatte nicht einmal beeindruckt geklungen, als er die zweihunderttausend Dollar erwähnt hatte. Und das, obwohl er im Zuge eines zweiten Telefongesprächs mit Karin Berg erfahren hatte, daß Paula Grey nur einen Bruchteil dieser Summe verdiente. Vor allem das hatte Hassan überzeugt, daß Karin Bergs Idee doch nicht so dumm gewesen war.
Schließlich war da noch etwas, was bei seiner Entscheidung eine wichtige Rolle gespielt hatte.
Wenn sie scheitert…
Die Warnung des Engländers ging ihm nicht mehr aus dem Kopf.
Er war sicher, diese Wendung stammte ursprünglich aus dem Mund seines Vaters, des Staatsoberhaupts, vor dem er solche Angst hatte. Wenn jemand versagte, machte sein Vater meistens kurzen Prozeß. Und Hassan fürchtete, er
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