Der Schwarze Papst
sie Euch gebeten, nach mir zu sehen?«
Sandro nickte. »Sie möchte, dass es dir gut geht.«
Clelias kindliches Lächeln war bezaubernd. »Sie macht sich zu viele Sorgen.« Das sagte sie in einem Ton, der verriet, dass ihr Giovannas Sorge im Grunde guttat. »Ich bin schon sehr selbstständig.«
Sie lud Sandro mit einer Geste ein, ihr zu folgen. Wie zum Beweis ihrer Selbstständigkeit öffnete sie die Speisekammer und holte eine Kuchenplatte hervor. »Den habe ich gebacken, und zwar heute in aller Frühe. Er ist noch warm, seht Ihr? Ich schneide Euch ein Stück ab.«
Sie suchte alle Utensilien zusammen, die benötigt werden, wenn man einem Gast ein Stück Kuchen anbietet. Clelias Unbeschwertheit war schön anzusehen, zugleich jedoch lag darin eine umso größere Tragik. Es wäre leichter für Sandro gewesen, wenn Clelia eine patzige Göre gewesen wäre, der es einerlei war, wo die Mutter so lange blieb.
»Mama wird sich freuen. Es ist mein erster Kuchen. Sie hat sich immer gewünscht, dass ich mal einen Kuchen für uns backe, und als sie letzte Nacht nicht kam, da fehlte sie mir so, und ich dachte, ich sage ihr das, indem ich einen Kuchen backe. Wie schmeckt er?«
Sandro hatte wenig Freude an dem Kuchen, aber nicht, weil er schlecht gemacht war.
»Hat meine Mutter denn noch lange im Collegium zu tun?«
Das alles war schwer, unglaublich schwer. »Clelia, ich …« Sandro stellte den Teller auf den Tisch.
»Oh, der Kuchen schmeckt Euch nicht.«
Sandro nahm den Teller wieder in die Hand. »Doch, der Kuchen ist vorzüglich.«
»Heißt das, er ist gut?«
»Ja. Er ist sehr gut. Deine Mutter wäre stolz auf dich.« Der Konjunktiv, den Sandro unabsichtlich verwendet hatte, warf ein Schlaglicht auf die Wahrheit.
»Seid Ihr dafür verantwortlich, dass sie so viel zu tun hat?«
»Ja«, log er. »Mir tut das sehr leid. Deswegen bin ich hier.«
»Ist schon gut. Mama kocht ja gerne. Und sie bringt immer etwas von den leckeren Sachen mit, die sie kocht.« Clelia hielt sich die Hand vor den Mund. »O weh, das hätte ich nicht verraten dürfen.«
Sandro lächelte. »Mach dir keine Sorgen deswegen, es bleibt unser Geheimnis.«
»Ihr seid nett. Aber Ihr behaltet Mama doch nicht mehr allzu lange bei Euch, oder? Sonst wird der Kuchen schlecht. Vielleicht bringe ich ihr ein Stück davon, was meint Ihr? Darf ich das? Ich kann Euch auch ein Stück für sie mitgeben.«
So konnte es nicht weitergehen. Clelia musste erfahren, was geschehen war, zumindest in groben Umrissen. Aber es wäre besser für sie, wenn Frauen ihr die größte Katastrophe ihres bisherigen Lebens beibrachten und anschließend für sie da waren, Frauen, die trösteten und sich kümmerten. Er kannte Nonnen, Clarissen, die aufopferungsvoll ein kleines Waisenhaus betreuten. Bei ihnen wäre Clelia in guten Händen.
Clelia überreichte ihm ein sauberes, verschnürtes Tuch, in das sie den Kuchen eingewickelt hatte. Dabei begegneten sich ihre Blicke, und Sandro fragte sich, ob das Mädchen das Unheil bereits ahnte.
Er hatte, in Gedanken versunken, nicht bemerkt, dass er zum Fenster gegangen war, und für einen Moment hatte er sogar Clelia vergessen. Im gleichen Augenblick, als sie fragte:
»Was ist? Was seht Ihr denn dort unten im Hof?«, wurde er sich bewusst, dass er tatsächlich etwas sah, das dort eigentlich nicht hingehörte - oder besser, jemanden sah, der dort nicht hingehörte.
Tilman Ried. Der Schüler aus dem Collegium.
Ried schlich durch den Hof, drückte sich an der Hauswand entlang und versteckte sich hinter einem abseits stehenden Verschlag für Abfall. Sandros erster Verdacht, Ried belauere die Wohnung von Giovanna und Clelia, erwies sich als falsch. Der junge Mann spähte die ganze Zeit über zu einer Tür, die zur Erdgeschosswohnung des Nachbarhauses gehörte.
»Kennst du diesen Burschen?«, fragte er Clelia.
Sie warf einen Blick in den Hof. »Ich habe ihn ein paar Mal gesehen, da hat er sich aber nicht versteckt. Er hat Rosina abgeholt.«
»Rosina?«
»Sie wohnt mit ihren Eltern, ihrem Bruder Franco und einer Großmutter in der Wohnung da unten. Manchmal kommt auch ein anderer Junge, der sie abholt. Rosina ist sehr hübsch. Ich will mal aussehen wie sie.« Clelia kniff die Augen zusammen. »Was hat der Junge denn da in der Hand?«
Gut, dass Clelias Augen nicht die allerbesten waren, dachte Sandro. Denn was Tilman Ried in der Hand hielt, war eine Arkebuse, eine Schusswaffe.
Wenn es darum ging, sich anzuschleichen, war Sandro nicht
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