Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Schwarze Papst

Titel: Der Schwarze Papst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
Vom Netzwerk:
völlig unbedarft. Zusammen mit seinen Freunden hatte er früher allerlei Späße getrieben, in denen man sich an jemanden anschlich, und auch als Mönch war man dazu angehalten, leise zu sein. Der Hof bot allerlei Deckung, und das Jesuitengewand störte weniger, als viele dachten. Eine angebundene Gans fühlte sich bedroht, schnatterte und schnappte nach ihm, doch Tilman Ried bekam nichts davon mit. Sandro kam ihm
auf drei Schritte nahe, ohne dass Ried ihn bemerkte. Hinter ein paar Stützbalken verborgen, behielt Sandro ihn im Auge und dankte dem ehrwürdigen Loyola in Gedanken dafür, dass die Ausgangssperre seit heute aufgehoben war. Die Haustauben flogen aus: zuerst Miguel Rodrigues, der mit unbekanntem Ziel durch Rom lief und von Angelo verfolgt wurde, und nun Tilman Ried, der wie ein Räuber auf Beute lauerte - der Tag hatte sich schon gelohnt, bevor die Sonne auch nur die halbe Höhe erreicht hatte.
    Eine Weile tat sich nichts. Sandro überlegte, Ried sofort zur Rede zu stellen, aber sein Gefühl sagte ihm, noch zu warten.
    Oben am Fenster, kaum zu sehen, beobachtete Clelia die Szenerie. Sandro hatte ihr befohlen, sich auf keinen Fall am Fenster zu zeigen, damit Ried sich bei dem, was er vorhatte, nicht gestört fühlte. Um Clelia würde er sich später kümmern. Es ging ihr so weit gut, sie ahnte noch nichts von ihrem Unglück. Auf die Spur des Mörders ihrer Mutter zu kommen, das hatte im Augenblick größere Priorität - abgesehen davon, dass Tilman Ried offensichtlich vorhatte, einen Menschen zu erschießen.
    Endlich kam Bewegung in die Szene. Die Tür, die für Ried eine so große Faszination besaß, öffnete sich. Heraus trat eine junge Frau, die von Clelia zu recht als schön bezeichnet worden war: schwarze, lange, offen getragene Haare, eine unglaublich schlanke Taille, ein verführerisches, römisches Gesicht und eine Art, sich zu bewegen, die jeden Vorzug hervorhob. Auf die Distanz war es Sandro nicht möglich, ihre Augen zu sehen, aber Sandro stellte sie sich dunkel funkelnd vor, eine Herausforderung, die so manchen Mann dazu bringen konnte, alles andere zu vergessen.
    Ried spannte den Hahn der Arkebuse.
    Der Frau, die Clelia zufolge Rosina hieß, folgte ein junger Mann, schlank, hochgewachsen und blond, viel besser gekleidet
als sie, gleichsam ein Prinz, der die Angebetete in ihrer einfachen Behausung besuchte. Dieser Mann war Gisbert von Donaustauf. Mit seinen langen Armen umfing er Rosinas Taille mühelos und zog sie näher zu sich heran. Sie bog sich wie ein Weidenzweig, schüttelte ihre Haare, lachte frech und sagte dann etwas zu ihm, das Sandro nicht verstand und Gisbert zu erfreuen schien. Er wollte sie auf den Mund küssen, aber ein erhobener Zeigefinger von ihr genügte, um ihn zu veranlassen, stattdessen ihren Hals zu küssen - und zwar ausgiebig. Vielleicht waren es ihre auf dem Rücken verschränkten Hände, die in Sandro den Zweifel erweckten, dass Rosina sich viel aus Gisbert machte. Diese Geste hatte etwas Gleichgültiges wie auch ihr Blick in den Himmel, während Gisbert sich in ihr Schlüsselbein vergrub. Doch Sandro mochte sich täuschen, vielleicht wollte sie den Mann durch Passivität nur noch mehr reizen. Wenn ja, dann durfte sie sich zu ihrem Erfolg beglückwünschen, denn Gisbert wurde immer erregter.
    Ried stützte seine Unterarme auf den Verschlag und legte an, wobei er sich beim Zielen Zeit ließ. Sandro hatte nicht den Eindruck, dass diese Langsamkeit der großen Erfahrung geschuldet war, sondern eher dem Mangel an Erfahrung. Ried musste wieder und wieder neu zielen, weil er nicht in der Lage war, die schwere Arkebuse ruhig zu halten. Aber er war zäh und gab nicht auf. Schließlich schien er die richtige Position gefunden zu haben. Er schloss das linke Auge, neigte den Kopf - und in dem Moment, als das Liebespaar sich voneinander löste und verabschiedete, als Ried den Lauf der Arkebuse in Richtung des davongehenden Gisbert ausrichtete, als er den Finger an den Abzug legte, sprang Sandro in zwei Schritten hinter Ried und riss dem Schützen die Arkebuse aus den Händen. Weder Gisbert noch Rosina hatten etwas bemerkt, und Sandros Hand auf Tilman Rieds Mund verhinderte, dass sich daran etwas änderte.

    Zwei, drei Atemzüge vergingen, in denen Sandro und Ried in derselben Position verharrten. Sandro, der noch immer die Hand auf Rieds Mund presste, zwang ihn zu Boden und gab sich dort zu erkennen. In Tilman Rieds Augen standen Verblüffung, ein wenig Furcht sowie ein Rest

Weitere Kostenlose Bücher