Der Schwarze Papst
Silvestro, auf offener Straße. Rosina und Franco sprachen mit Johannes, und der holte einen kleinen Geldbeutel hervor und überreichte ihn Rosinas Bruder.«
»Wie groß war dieser kleine Geldbeutel?«
»Ungefähr so groß.« Ried führte die Spitzen von Daumen und Zeigefinger zusammen. Er hatte für sein Alter und seine geringe Körpergröße recht große, klobige Hände, die Hände eines Jungen, der schon früh hatte mit anpacken müssen. Trotzdem war der angegebene Umfang des Geldbeutels als klein einzuschätzen.
»Dann kann es sich nicht um viel Geld gehandelt haben, selbst wenn nur Golddukaten darin waren. Mehr als zwanzig Dukaten passen in einen solchen Beutel nicht rein, eher weniger, fünfzehn vielleicht.«
»Das ist mir doch egal. Johannes hat Franco bezahlt, und der hat Rosina daraufhin gezwungen, sich Gisbert zuzuwenden.«
Diese Interpretation klang nur überzeugend, wenn man ein verliebter siebzehnjähriger unerfahrener Schultheißensohn aus der Provinz war. Ein achtundzwanzigjähriger römischer Visitator war nicht bereit, sie ohne Weiteres zu übernehmen.
»Deine Beobachtung - fand sie statt, als du mit Magister Duré unterwegs warst? Er erzählte mir, dass er Johannes zusammen mit einem Mädchen und einem jungen Mann gesehen hat.«
»Ja«, antwortete Ried und streichelte weiterhin die Ziege. »Bruder Birnbaum und mir wurde von Bruder Königsteiner aufgetragen, den Magister zu begleiten. Wir halfen ihm, eine Truhe vom Schneider abzuholen, die für den Ehrwürdigen bestimmt war. Wenn es etwas Schweres zu tragen gilt, werden immer Birnbaum und ich herangezogen. Die Brüder Königsteiner und de Soto sind sich zu fein, und Gisbert, Johannes und Bruder Rodrigues haben nichts drauf.«
»Dann können Birnbaum und der Magister deine Beobachtung bestätigen?«
»Nein, sie haben nur gesehen, wie Johannes, Rosina und Franco beisammenstanden. Ich habe behauptet, etwas verloren zu haben, und bin zur Piazza zurückgelaufen, und da habe ich die Geldübergabe beobachtet.«
»Hat Rosina dir deine Vermutung bestätigt?«
»Wie denn? Ich komme doch gar nicht mehr an sie heran! Dieser blöde Franco ist immer um sie herum und schickt mich weg. Vor kurzem habe ich versucht, an ihm vorbeizukommen,
und er hat mir was auf die Nase gegeben. Er ist älter als ich und stärker. Natürlich ist er auch jetzt wieder bei ihr, da drin. Rosina ist zum Greifen nahe, und ich hocke hier draußen neben einem stinkenden Abfallhaufen, unterhalte mich mit einem langweiligen Priester und streichle eine Ziege.«
Den langweiligen Priester wollte Sandro überhört haben, aber das mit dem Gestank und der Ziege stimmte. Das zahme Tier schien Rieds Streicheln zu genießen, und Ried streichelte mit einer Innigkeit, als sei die Ziege seine Leidensgenossin oder sein zweites Ich, seine geplagte Seele, die Zuwendung verlangte. Sandro musste an Gisbert von Donaustauf denken, der gewiss nie eine Ziege in seiner Nähe dulden, geschweige denn streicheln würde. Kein Zweifel, Tilman Ried war der weitaus Sympathischere von beiden, frei von Eitelkeit und Dünkel, ein bisschen naiv, ein wenig schwärmerisch, ein einfacher Junge.
Und doch hatte Sandro ihn mit einer geladenen Arkebuse auf einen Menschen zielend überrascht.
»Für den Nachmittag vor Johannes’ Ermordung hast du angegeben, allein durch Rom gestreift zu sein und ein Bier in einer Taverne getrunken zu haben. Könnte es sein, dass das der Nachmittag war, an dem du versucht hast, an Franco vorbeizukommen und von ihm eins auf die Nase bekamst?«
Tilman Ried hörte auf, die Ziege zu streicheln, senkte den Kopf und nickte.
Falls das stimmte, erübrigten sich Erklärungen: Ried hatte natürlich nicht eingestehen wollen, versucht zu haben, sich einer Angebeteten zu nähern. Eine Liebschaft mit einer zweifelhaften Frau hätte seinen Rauswurf aus dem Collegium bedeuten können, und so ungern er Schüler des Collegiums sein mochte - sein Vater hatte vermutlich einige Opfer gebracht, damit der Sohn bei den Jesuiten in Rom studieren durfte.
»Sollte es nicht zwingend notwendig werden«, versprach Sandro,
»wird keiner der Jesuitenbrüder oder der Pater General von mir davon erfahren.«
Ried machte eine Geste, als komme es darauf nun auch nicht mehr an. Er wirkte sehr niedergeschlagen, und Sandro konnte es ihm nachfühlen, denn er wusste noch zu gut, wie es war, wenn ein Rivale um die Gunst einer Frau die Oberhand gewann und man ohnmächtig dabei zusehen musste. Und Ried musste es wohl noch
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