Der Schwarze Papst
Frage schien für Franco ohne Interesse zu sein, daher beantwortete er sie anstandslos. »Das war - vorvorgestern.«
»Zu welcher Zeit?«
»Nachmittags. Etwa - vier Stunden vor Sonnenuntergang.«
»Also gegen fünf, halb sechs Uhr. Woher weißt du das so genau?«
»Mein Vater ging kurz darauf zur Abendschicht. Er ist Träger beim Häuserbau, und vom Mittag bis zum späten Nachmittag machen sie Pause.«
»Haben deine Eltern nichts gesagt?«
»Weswegen?«
»Wegen Tilman Ried und Rosina. Wegen der Prügelei. Du sagtest, es ist eine Familienangelegenheit.«
»Ja«, erwiderte er, »ist es auch.« Die Art, wie er das aussprach, deutete darauf hin, dass Familienangelegenheit in diesem Fall Franco-Angelegenheit hieß. »Mein Vater mischt sich nicht ein. Dafür ist er ein viel zu alter Sack.«
Und die Mutter war wohl, einem Lasttier ähnlich, erst gar nicht der Erwähnung wert. In diesem Haushalt hatte man anscheinend nichts füreinander übrig.
Tilman Ried hatte die Wahrheit gesagt und war damit wohl entlastet. Er konnte nicht gleichzeitig im kapitolinischen Viertel von Franco eins auf die Nase bekommen und im Collegium Germanicum Johannes vergiftet haben. Aber es ging hier ja nicht bloß um Ried. Die Gebrüder Donaustauf waren ebenfalls auf unterschiedliche Weise involviert.
»Danke für deine Auskünfte«, sagte Sandro. »Du hast mir sehr geholfen. Vielleicht hast du von der Sache im Collegium gehört?«
Interessanter als Francos verneinendes Kopfschütteln war die Tatsache, dass Rosina ihr Gespräch mit Ried unterbrach und einen Blick auf Franco warf. Ein kurzer Moment nur, und doch vielsagend. Rosina hatte unwillentlich die Frage beantwortet, die Sandro ihrem Bruder gestellt hatte, und Franco hatte das erkannt. Er, der Ertappte, machte zwar keine Anstalten, von seiner Lüge abzurücken, konnte aber gewisse Anzeichen von Nervosität nicht unterdrücken.
»Jetzt müssen wir nur noch über das Geld sprechen«, sagte Sandro und genoss das Aufflackern in Francos Augen sowie Rosinas zunehmend ins Stocken geratendes Gespräch mit Ried, weil sie mit einem Ohr Sandro und Franco zuhörte.
Wie würde Franco reagieren? Würde er alles abstreiten
oder sich schnell eine Lüge ausdenken? Viel Zeit hatte er dafür nicht.
Es kam besser, als Sandro gehofft hatte. Franco machte einen Fehler, er sagte nämlich: »Ihr meint - das Geld - das Johannes mir - auf der Piazza gegeben hat?«
Diese Gegenfrage war so stockend, so vorsichtig und offen formuliert, dass sich der Gedanke aufdrängte, es habe noch eine andere Geldübergabe gegeben.
»Ja, das«, sagte Sandro. »Und auch das andere.«
Der junge Franco war ein zu erfahrener Gauner, als dass er sich unnötig in Schwierigkeiten brachte. Er änderte seine Taktik und entschloss sich zur Kooperation.
»Wir haben nichts Verbotenes getan«, sagte Franco, ging zu seiner Schwester und nahm sie beinahe zärtlich an der Hand. Richtig rührend sahen sie aus, wie ein Geschwisterpaar, das sich im Wald verirrt hatte - Franco spielte den liebenden Bruder. »Seht Ihr, wir sind arm. Als sich die Gelegenheit bot, etwas Geld zu verdienen, haben wir zugegriffen. Natürlich hätten wir nie - hätte Rosina nie das Versprechen, das wir diesem reichen Deutschen gegeben haben, eingelöst. Es war ein Kniff, versteht Ihr? Nur ein Kniff. Aber kein verbotener.«
Sandro konnte Franco nicht mehr ganz folgen, aber das ließ er sich nicht anmerken. Würde Franco das spüren, würde er seine Taktik erneut ändern und nur noch das Nötigste preisgeben. Sandro jedoch wollte möglichst viel von der Wahrheit abschöpfen, daher mimte er den Wissenden - und stocherte blind in die Finsternis hinein.
»Wenn ihr euer Versprechen nicht eingelöst hättet, wäre Johannes von Donaustauf schnell dahintergekommen«, sagte Sandro und hatte selbst nicht die geringste Ahnung, was er damit meinte.
»Wenn schon! Was hätte der Knabe tun können? Gut, wir haben ihm versprochen, dass Rosina ihre Beziehung zu seinem
Bruder Gisbert beendet. Das ist kein juristisches Versprechen, auch wenn wir dafür Geld bekommen haben. Sein Fehler. Pech. Besser gesagt, Dummheit.«
So langsam fiel Licht in das Dunkel. »Wieso war Johannes daran interessiert, dass Gisbert keine Beziehung zu Rosina hat?«
»Das war eine seltsame Sache. Nachdem ich von Rosina erfahren hatte, dass Gisberts Bruder vermögend war, habe ich natürlich versucht, irgendwie Kapital daraus zu schlagen. Vielleicht, so dachte ich mir, passt es dem reichen Bruder nicht,
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