Der Schwarze Papst
das Haus unauffällig im Auge behielt, kam ein Jesuit und wandte sich an die Hausmeisterin. Um es gleich zu sagen: Nein, es war kein Jesuit aus dem Collegium. Er hatte ein Pferd bei sich, das er auf Vorschlag der Hausmeisterin an einem Pfosten neben dem Haus anband. Ich glaube, er hatte eine Reise hinter sich, weil seine Kutte staubbedeckt war. Au ßerdem schwitzte das Pferd stark. Das folgende Gespräch zwischen ihm und der Hausmeisterin habe ich nicht mitverfolgen
können, denn ich war zu weit entfernt, und auf der Gasse herrschte große Betriebsamkeit. Aber den Gesten der beiden habe ich entnommen, dass der Jesuit einen Brief abzugeben hatte, und die Hausmeisterin schickte ihn in eines der oberen Stockwerke. Nicht lange, und Bruder Rodrigues und der unbekannte Jesuit verließen gemeinsam das Haus, wobei der Beutel, den Bruder Rodrigues zuvor ins Haus getragen hatte, nun im Besitz des anderen Mannes war, der ihn in einer Satteltasche verstaute. Die beiden zelebrierten einen kurzen, freundschaftlichen Abschied, und der unbekannte Jesuit ritt wieder weg. Miguel Rodrigues warf der Hausmeisterin ein Abschiedswort zu. Dann machte er sich auf den Rückweg, und als er, nur ein paar Schritte entfernt, an mir vorbeiging - ich hatte mich sorgsam versteckt -, bemerkte ich, dass er ein bisschen unglücklich aussah. Ich folgte ihm bis zum Collegium. Jetzt ist er im Obergeschoss bei Bruder de Soto.«
Das war in der Tat ein außerordentlich interessanter Bericht, fand Sandro, und wenn man ein paar Informationen, die er im Laufe des Vormittags gesammelt hatte, dazunahm, ergaben sich bereits die Konturen eines Bildes. Nachdem Sandro Rosina und ihren Bruder verlassen hatte, war er nämlich nicht sofort zum Collegium gegangen, sondern hatte die deutsche Niederlassung eines Bankkontors aufgesucht. Es war nur ein Versuch gewesen - ähnlich dem während des Verhörs von Franco -, der aber ebenfalls erfolgreich gewesen war. Um mit der päpstlichen Administration keinen Ärger zu bekommen, hatten die Bankiers ihm eine vertrauliche Auskunft gegeben: Johannes von Donaustauf hatte sich am selben Tag, als er Franco fünfzig Dukaten zahlte, eine Summe von sage und schreibe zehntausendundfünfzig Dukaten auszahlen lassen - ein kleines Vermögen, das demnach zum geringsten Teil für Francos kleine Erpressung abgehoben worden war. Dreihundert Dukaten ließ er sich in Münzen auszahlen, den Rest als Wechsel ausstellen.
»Ihr glaubt«, fragte Forli, »dass er fünfzig Dukaten nahm, um diesen Franco zu bezahlen, und dass der Rest in dem Beutel war, den Bruder Rodrigues heute dem anderen Jesuiten übergeben hat?«
»Ja, das vermute ich«, bestätigte Sandro.
»Die Vermutung hat einen Schönheitsfehler, Carissimi. Wenn Johannes das Geld hier im Collegium deponiert hat oder wenn er es Rodrigues übergeben hat oder wenn Rodrigues es sich nach dem Tod von Johannes einfach genommen hat - wo war es dann in den vergangenen Tagen versteckt? Es gab ein Ausgangsverbot, das von meinen Wachen penibel überwacht wurde, und die gestrige Hausdurchsuchung hat kein Geld zutage gefördert. Einen Wechsel, den kann man gut verstecken, sich ihn zur Not in den Arsch schieben, aber mit zweihundertfünfzig Münzen lässt man sich das besser nicht einfallen. Also, wo war das Geld bis heute Morgen versteckt?«
»Da gibt es zwei mögliche Verstecke«, antwortete Sandro. »Entweder befand es sich im Zimmer des Ehrwürdigen, das bekanntlich auf meine Anordnung hin von der Hausdurchsuchung ausgenommen war. Das würde jedoch bedeuten, dass Magister Duré eingeweiht war, denn das Zimmer des Ehrwürdigen bietet kaum Versteckmöglichkeiten und Magister Duré hat als langjähriger Vertrauter des Ehrwürdigen Zugang zu allen Truhen und Laden.«
»Hm, und die zweite Versteckmöglichkeit? Ich sag’s noch mal, wir haben alles sehr gründlich durchsucht.«
»Auch die Kapelle?«
»Auch die Kapelle.«
»Vollständig?«
»Vollständig.«
»Bestimmt nicht.«
»Wenn ich es doch sage, Carissimi. Die ganze Kapelle von oben bis unten.«
»Denkt nach.«
»Da gibt es nichts nachzudenken. Ich selbst habe überwacht, wie meine Leute … Na ja, außer natürlich …«
Sandro nickte. »Die Sakristei.«
»Wir waren zwar in der Sakristei, aber …«
»… ihr habt dort nicht das Allerheiligste durchsucht, das Armarium, den Schrein mit den liturgischen Geräten.«
»Natürlich nicht, das wäre ja - ich bin kein großer Frommer, Carissimi, das wisst Ihr, aber dass man sich an einem
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