Der Schwarze Papst
aber vielleicht tat es ihr auch einfach nur mehr weh.
»Siehst du jetzt wieder klar?«, fragte er.
»Dass du ein brutaler Halunke bist, das sehe ich klar.«
»Das hast du auch schon vorher gewusst«, antwortete er lapidar. »Du bist wohl nicht mehr ganz bei Trost. Wenn man die Wahl hat zwischen einem schwerreichen, gutaussehenden Adeligen, der dich auf Händen in sein Schloss trägt, und einem armen Pimpf, dessen Vater Schultheiß eines von Kühen verschissenen Dorfes ist, gibt es nur eine Entscheidung.«
»Es ist meine, das ist der springende Punkt«, erwiderte sie. »Wenn ich Gisbert heirate, muss ich für den Rest meines Lebens mit ihm leben, nicht du. Du willst dir nur einmal im Jahr einen Sack voll Gold von ihm in die Hand drücken lassen, dann bist du wieder weg.«
»Was findest du bloß an diesem Pimpf?«
Sie wandte sich von ihrem Bruder ab, ging ein paar Schritte durch den Raum und sagte leise: »Etwas, das ich nirgendwo sonst finde.«
Franco schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Hilfe, sie ist verrückt geworden!« Er schloss die Augen. Als er sie nach einer Weile wieder öffnete, machte er ein Gesicht wie ein Kutscher, dem es nicht passte, einen Umweg zu fahren, der sich jedoch damit abfand.
»Wir kriegen das hin«, sagte er.
Was meinte er? Was gab es da hinzukriegen ?
»Du willst den Pimpf zum Mann, hast aber sicherlich nichts dagegen, reich zu sein. Also bringe ich den Pimpf zu dir, jetzt gleich, und wir reden mit ihm. Das wird schon gehen.«
Sie sah ihn an. Ihre geschwisterlichen Herzen, die eben noch aus dem Takt geraten waren, schlugen nun wieder im Gleichklang. Rosina verstand. Zu ihrer Liebe gesellte sich wieder das andere, das Böse. Beides existierte nebeneinander. So wie ein Stern eingehüllt war in Nacht, war ihre Liebe vom Verbrechen umgeben, ein Verbrechen, das erst noch begangen werden musste.
Sie stimmte zu. Die Armut gebot es. Die Gewohnheit gebot es. Manche Leute behaupteten, man habe einen eigenen Willen, man selbst habe es in der Hand, ob man sich für die Wahrheit oder die Lüge, für das Gute oder das Böse entschied. Solche Leute wussten nicht, wovon sie redeten. Keine Schlange machte den Versuch, in die Wolken zu fliegen, keine Kröte schwamm in die Weite des Ozeans, denn es lag nicht in ihrer Natur. Ein Habicht ernährte sich nicht von Roggen und Gras. Er fraß Mäuse.
Rosinas Liebe konnte nur in der Finsternis funkeln.
Sandro hatte gerade das Collegium Germanicum betreten, als er einen lauten Schrei hörte, der aus dem Obergeschoss kam. Türen flogen auf und zu, Schritte polterten, und Bruder Königsteiner, auf dem Weg nach unten, hätte Sandro, auf dem Weg nach oben, beinahe umgerannt.
»Was ist denn …« Sandro vervollständigte seine Frage nicht, da Königsteiner wie im Fieber die Treppe hinunterstürmte und gar nicht daran dachte, stehen zu bleiben.
Im Obergeschoss stand die Tür zum Zimmer des Ehrwürdigen weit offen. Sandro hörte angestrengtes Keuchen und dann - einen dumpfen Schlag, noch einen und noch einen. Er kannte dieses halb dumpfe, halb klatschende Geräusch. Er hatte es vor einigen Tagen erstmals gehört. Es war eine Faust, die auf einen Brustkorb schlug.
Fassungslos blickte Sandro auf Magister Duré, der vor Ignatius von Loyola auf dem Boden kniete und wie ein Wahnsinniger auf ihn eindrosch.
Sandro eilte zu ihm. Als Duré ihn bemerkte, keuchte er: »Schließt die Tür.«
»Ein weiterer Anfall?«
»Schließt die Tür!«
Sandro folgte dem Befehl, kam dann aber sofort zurück. »Was soll ich tun?«
»Ihr müsst gleich für mich übernehmen. Schlagt mit der hohlen Faust auf diese Stelle. Seht genau hin.« Duré schlug zwei weitere Male, dann beugte er sich über den Mund Loyolas, öffnete ihn mit den Fingern und presste seine Lippen darauf, wobei er einen Schwall Luft in ihn blies. Nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte, stöhnte er: »Nun Ihr!« Dann rutschte er schweratmig ein Stück zur Seite und beobachtete jede von Sandros Bewegungen auf das Genaueste.
Sandro hatte sich die Stelle, auf die er schlagen musste, gut eingeprägt, sodass Duré diesbezüglich keine Einwände hatte. Doch auf den Körper eines Menschen einzuprügeln - den Körper eines Greises und des Ehrwürdigen noch dazu! - löste bei Sandro ein Gefühl der Hemmung und Abwehr aus, weshalb er, kurz bevor die hohle Faust auf die Brust traf, ein wenig Schwung wegnahm.
»Fester«, rief Duré.
»Aber …«
»Fester, sage ich!«
Sandro nahm allen Mut zusammen und
Weitere Kostenlose Bücher