Der Schwarze Papst
und dass etwas in ihr so stark und klug und intuitiv gewesen war, den Schnitt zu vollziehen.
Mörder.
Dadurch, dass es Sandro gab, war ihr mehr geholfen als dadurch, dass er sie streichelte. Seine bloße Existenz, die Tatsache, dass da jemand war, den sie mehr liebte als Milo, war der große Trost. Sandro war da. Durch ihn konnte sie sich verzeihen und war keine Verräterin an Carlotta.
Sandro holte eine Decke und breitete sie auf dem Boden aus. Sie legten sich gemeinsam darauf. Er drängte sich nicht auf, und seine Verschiedenheit im Vergleich zu Milo tat ihr gut. Sandros Brust war weniger behaart als die von Milo. Sandro roch anders, atmete langsamer. Die Hände waren feingliedrig, Edelmannhände.
In der Nacht hat die Zeit keinen Rhythmus. Antonia wusste nicht, wie viele Stunden vergangen waren, als sie sagte: »Du liebst mich.«
Sie sagte nicht: »Ich liebe dich«, denn das wusste Sandro, und sie würde ihm noch oft, viele Male in ihrem Leben sagen, dass sie ihn liebte. Heute musste er wissen, dass sie wusste, dass er sie liebte. Das bedeutete weit mehr in so einer Nacht, in der noch das Aroma des Mörders in der Luft lag und in der der Mörder noch nicht ganz aus ihrem Leib verschwunden war.
Sie drehte sich zur Seite, und Sandro drehte sich mit. Sie spürte seinen Atem an ihrem Ohr, seine Hände, Beine, seinen Körper.
Letzter Tag
20
W ieder diese Schwüle. Diese satte, feuchte Luft, die von den Dächern zu tropfen schien, und das schon beim ersten Hahnenschrei. Rom würde kochen an diesem Tag. Der Adel und das reiche Bürgertum - zu dem Sandro einst gezählt hatte - ließ früh in diesem Sommer die Kutschen anspannen und sich auf die Landsitze nach Ostia, Tivoli, Tuscolo und Palestrina bringen.
Sandro hätte große Lust gehabt, einfach liegen zu bleiben und abzuwarten, bis die heiße Jahreszeit vorüber war. Die Aussicht, in seine Soutane zu schlüpfen - die im Übrigen mal gewaschen werden müsste -, löste Widerwillen aus. Doch es gab drei zu gute Gründe, aufzustehen. Er musste sich nach dem Stand der Fahndung nach Milo erkundigen. Forli, der die Fahndung koordinierte, kam gewiss sehr gut allein zurecht, aber Sandro konnte es nicht erwarten, Carlottas Mörder gegenüberzutreten und dem Verhör beizuwohnen. Außerdem hatte er beschlossen, die Katze aus dem Sack zu lassen und ein strenges Verhör in puncto Verschwörerwohnung anzusetzen, aber er wollte nicht Luis verhören, der viel zu beherrscht, gewandt und erfahren war, sondern Miguel Rodrigues. Er war die Schwachstelle, die ungeschützte Flanke des großen de Soto, und mit vereinten Kräften - Sandro, Forli, Angelo - müsste es doch mit dem Teufel zugehen, wenn man nicht etwas aus ihm herausbekäme.
Der dritte Grund, weshalb Sandro nicht einfach liegen blieb, war, dass Antonia nicht einfach liegen blieb. Sie war schon halb angezogen, als Sandro aufwachte.
»Guten Morgen, Liebster.«
Es tat ihm gut, so genannt zu werden, und er lächelte. Dann beobachtete er, wie sie mit ruhigen, geübten Handgriffen ihr Haar bürstete, ein paar Sachen aufräumte und eine Schale mit Kirschen auf den Tisch stellte.
»Ich will heute sehr früh in der Santo Spirito sein, bevor die Steinmetze die Luft einstauben.«
Ihr Satz brachte ihn erneut zum Lächeln. Eigentlich war nichts Lustiges daran. Er wusste, wie wichtig für einen Glasmaler das Morgenlicht war. Und weil er es wusste und weil Antonia ihre Bemerkung so nebenher gemacht hatte, überfiel ihn ein angenehmes Gefühl, so als lebten sie schon sehr lange zusammen. Alles erweckte den Eindruck von Normalität, von langer Beziehung, großer Nähe. Ja, sie waren sich nah.
»Magst du ein paar Kirschen? Ansonsten - wir haben noch ein Viertel Brot da, und Honig.«
Außer Lächeln brachte er nichts zustande. Wir haben Brot da - das war unübertrefflich.
»Was ist? Warum lächelst du?« Sie stellte das Brot und den Becher mit Honig auf den Tisch. »Jetzt hör auf damit und komm her.«
Er stand auf und ging zu ihr. »Ich mag, wie du sprichst.«
»Ich mag auch, wie du sprichst. Wenn du es ab und zu tun würdest, hätte ich auch was zum Lächeln. Aber wenn du immer nur lächelst, wie komme ich da auf meine Kosten?«
»Ein Dilemma. Wie durchbrechen wir es?«
Sie zuckte gespielt gleichmütig mit den Schultern. »Indem wir tun, was alle Paare tun: Wir essen.«
Sie lachten, verbunden durch einen Blick. Sandro schnitt sich ein Endstück vom Brotlaib ab, träufelte Honig darauf, biss ein großes Stück ab und kaute
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