Der Schwarze Papst
lange auf ihm herum, während Antonia seine Soutane holte. Als sie zurückkam, war die Leichtigkeit verflogen, aber er glaubte nicht, dass das etwas mit ihm zu tun hatte.
»Du solltest dein Kleid ein bisschen sauber machen«, sagte sie. »Dort drüben steht ein Wassereimer, daneben liegt eine Bürste. Ich werde jetzt gehen. Sehen wir uns heute Abend?«
»Aber ja.«
Sie ging zur Tür. »Steht ein Wachmann da draußen?«
Er nickte. »Er wird dich den ganzen Tag begleiten. Nur zur Vorsicht.«
Milo war in ihre Köpfe zurückgekehrt, und Sandro hielt es für unklug, so zu tun, als gäbe es ihn nicht. Sandro ahnte, was in Antonia vorging.
»Er war ein Blender«, sagte Sandro. »Ganz gewiss der raffinierteste Blender von Rom. Ich habe ihn nie gemocht, aber nur, weil ich eifersüchtig und auch neidisch war auf seine unbeschwerte Lebensart, auf seine Abgebrühtheit und seine Fischerhosen und vor allem auf seine Wirkung auf dich … Ich hielt ihn für einen tollen Kerl, von dem ich mir eine Scheibe abschneiden könnte. Er hat mich getäuscht, so wie alle anderen auch.«
Antonia wandte sich zu Sandro um. »Keiner war ihm so nahe wie ich. Ich hätte erkennen müssen …«
»Was denn? Dass er ein Mörder ist? Ein böser Mensch? Wir alle haben mehrere Seiten, und wenn einer nur die eine Seite zeigt und die andere verbirgt, ist man ausgeliefert. Was wäre denn die Alternative? Dass wir alle einander nur noch mit Misstrauen begegnen? Es ist ein großer Irrtum, zu glauben, dass die Aufrichtigen und die Gefühlvollen die Fähigkeit besitzen, in die Herzen der anderen hineinzusehen. Seine eigene Mutter hat nichts geahnt, und Carlotta hat ihm vermutlich die Tür geöffnet und ihn bis zum letzten Atemzug nicht als das erkannt, was er tatsächlich ist. Nur Leute seines Schlags haben es gewusst. Tücke erkennt Tücke, so sieht es nämlich aus. Meine Arbeit würde sehr viel einfacher sein, wenn es anders wäre.«
Antonia schien ein wenig beruhigt, aber es würde noch eine Zeit brauchen, bis sie sich selbst vergeben hätte.
Sandro bat Antonia: »Würdest du nachher, wenn du etwas Zeit hast, ins Stift der Clarissen gehen und dich dort nach einer Clelia erkundigen? Ihre Mutter, eine Köchin des Collegium Germanicum, ist vorgestern ermordet worden.«
»Wie furchtbar!«
»Clelia ist elf Jahre alt. Die Nonnen sind fürsorglich, aber leider schüchtern die Nonnen wegen ihrer Tracht die Kinder ein wenig ein. Ich denke, für das Mädchen wäre es gut, wenn sie auch eine weltliche Frau in ihrer Nähe hätte.«
Antonia nickte. »Ich gehe zu ihr, ganz bestimmt, verlass dich drauf.«
»War mir klar.«
»Ich weiß.«
Sie kam noch einmal zurück und küsste ihn. »Bis heute Abend.«
Sandro säuberte seine Soutane nicht. Er verließ das Haus und ging in Begleitung einer Wache, die ihn vor einem möglichen Anschlag Milos schützen sollte, zum Collegium. Als er dort ankam, hörte er Gesang, der aus der Kapelle kam. Dann erklang die kräftige Stimme Königsteiners, der vermutlich den Vorbeter machte und die Messe las, so wie am Abend von Johannes’ Tod.
Im Collegium war alles ruhig. Sandro warf einen Blick in das »Hauptquartier«, Johannes von Donaustaufs altes Zimmer, wo Angelo die Nacht verbracht hatte - oder besser gesagt, verbrachte, denn er schlief noch. Seine zerwühlten Haare und die vom Bett herabgeschobene Decke zeugten von einer wenig erholsamen Sommernacht. Forli war nicht da; er hatte wohl noch mit der Fahndung nach Milo zu tun.
Sandro beschloss, zum Brunnen in den Hinterhof zu gehen
und sich frisches Wasser zu holen, denn das Honigbrot hatte ihn durstig gemacht. Solange die Frühmesse andauerte, Forli unterwegs war und Angelo schlief, konnte er ohnehin nichts anderes tun, als warten. Rodrigues würde ihm ja nicht weglaufen.
Ein Gedanke ließ ihn nicht mehr los, seit er eben an die Kommunion gedacht hatte. Wie war das noch? Johannes war auf die Latrine gehetzt … war eine Weile fort gewesen … in der Kapelle hatte die Kommunion stattgefunden, das Brot … Königsteiner hatte auf Johannes gewartet …
Und dann ging es wieder von vorn los: Johannes war auf die Latrine gehetzt …
Sandro hörte, wie jemand die Treppe herunterkam, und zwar sehr langsam. Es war also tatsächlich jemand im Haus geblieben; dem gemächlichen Gang nach zu urteilen, handelte es sich um Ignatius von Loyola. Sandro wäre ihm lieber ausgewichen, doch das löste die Probleme nicht, und früher oder später würde er ihm ja doch über den Weg
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