Der Schwarze Papst
umgekippt.«
»Und wer hat den Becher, wenn überhaupt noch etwas drin war, ausgeleert?«
»Die Giovanna, schätze ich. Die hat am nächsten Tag alles abgeräumt.«
»Fassen wir zusammen: Sowohl Ihr als auch Birnbaum hättet Gelegenheit gehabt, den öligen Extrakt der Poleiminze in den Becher zu tun.«
Gisbert richtete sich auf. »Moment mal, so nicht, Freundchen. Ihr wollt mir da was anhängen, weil Ihr zu blöd seid, den Täter zu finden. Das Spiel kenne ich, das spielt man überall, auch in meiner Heimat. Aber nicht mit mir. Birnbaum hat das Wasser eine gute halbe Stunde, bevor wir zur Messe gingen, aufs Pult gestellt. Da kann sonstwer was reingekippt haben. Außerdem - ich hatte ja gar keinen Grund, Gift da reinzutun.«
»Einhunderttausend Gulden und ein Schloss sind Grund genug.«
Gisbert von Donaustauf sah Angelo einen Augenblick entgeistert an, dann lachte er schrill. »So was von dämlich begegnet
man selten. Der Becher, von dem wir reden, war nicht für Johannes gedacht, sondern für Birnbaum.«
»Für - Birnbaum?«
»Kapierst du’s nicht? Dann erkläre ich’s für ganz Doofe. Der Birnbaum, der hätte am Eröffnungsabend lesen sollen, aber er war nervös, weil der Pater General da war und so viele andere Gäste. Birnbaum liest sowieso schlecht vor, unbetont und holprig, aber wenn noch Herzklopfen dazukommt, dann ist es ganz aus. Er schwitzte wie ein Schwein. Sein Mund war so trocken, da hätte man Wäsche drin aufhängen können. Also stellte er sich den Wasserbecher raus. Als die Messe zu Ende war und wir aus der Kapelle über die Straße ins Collegium zurückkehrten, da hat er dem Pater General gesagt, er hätte Halsschmerzen, ob nicht ein anderer lesen könne. Er schlug meinen Bruder vor, was ziemlich klug war, weil Johannes sich gerne wichtig gemacht hat und die Ehre genoss. Johannes stimmte zu, der Pater General stimmte zu - und so kam’s.«
Gisbert stand auf und hielt sich den Bauch vor Lachen. »Weißt du, was das bedeutet? Capito, amico? Mann, ihr Italiener habt euern Kopf von Gott wohl nur bekommen, weil ihr ja irgendwo das Essen reinstopfen müsst. Soll ich’s erklären? Ja?« Er schlug Angelo mit der flachen Hand mehrmals leicht auf die Stirn. »Wer immer Gift in den Becher getan hat, der wollte nicht Johannes, sondern Birnbaum umbringen. So sieht’s aus. Und ich? Wieso sollte ich Birnbaum umbringen, hä?«
In der Sache gab Forli ihm recht, aber der junge Donaustauf wurde allzu übermütig, als er Angelo einen Klaps links und einen Klaps rechts auf die Wangen gab, ihn zurückstieß und rief: »So, und jetzt mach Platz, Freundchen, meine Verlobte wartet.«
Angelo war perplex über seinen plötzlichen Autoritätsverlust gegenüber einem Jüngeren, und Forli hielt es für besser, aufzustehen, um Gisbert aufzuhalten. Solange die Untersuchung
nicht abgeschlossen war, hatte niemand das Haus zu verlassen, auch Gisbert nicht. Und Angelo wusste das ebenfalls. Er packte Gisbert, der bereits nach dem Türknauf griff, am Kragen und zog ihn so kräftig zurück, dass Gisbert quer durch den Raum stolperte und rücklings gegen die Wand prallte.
»Bravo«, rief Forli. »Gut gemacht, Angelo.«
Angelo ging entschlossen auf Gisbert zu, um nachzusetzen, falls nötig, aber Gisbert gab sich mit einer Geste geschlagen. In dem Moment, als Gisbert einen Schritt nach vorn machte, löste sich hinter ihm auf Schulterhöhe ein ganzer Stein aus der Wand und fiel krachend zu Boden.
Zur Überraschung aller tat sich in der Wand ein kleiner Hohlraum auf.
21
Jemand hatte irgendwann den Stein aus der Wand gelöst und dahinter eine Mulde in den Lehm gegraben, dann den Stein wieder eingesetzt und auf diese Weise ein Geheimfach geschaffen. Nun war der Hohlraum jedoch gerade so groß, dass Sandros oder Angelos Faust hineinpasste, Forlis Faust bereits nicht mehr.
»Na, Carissimi, was sagt Ihr?«
Forli ließ absichtlich jenen Teil weg, der sich mit der Art und Weise der Entdeckung befasst hätte. Das hätte den Ruhm geschmälert und Angelo in Erklärungsnot gebracht, weil er Gisbert hart angepackt hatte. Forli warf Angelo einen verschwörerischen Blick zu. »Eigentlich hat Angelo den größeren Anteil an der Entdeckung als ich. Der Junge hat Talent und Mut, das richtige Händchen sozusagen. Einen besseren Assistenten hättet Ihr nicht kriegen können. Wenn Ihr nicht aufpasst, läuft er
Euch den Rang als Schürzenjäger ab. Haha. Die Weiber sind ganz wild auf Jungs wie ihn.«
Weder Carissimi noch Angelo sahen aus,
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