Der Schwarze Papst
es ein. Er hätte Milo gerne gefasst und den Richtern übergeben, nicht nur wegen Carlotta oder weil es sich so gehörte, sondern auch wegen sich selbst. Die »Causa Milo« wäre ansonsten eine nicht geschlossene Akte, etwas, woran er ständig würde denken müssen. Für Antonia wäre ein Schlussstrich ebenfalls besser - sie müsste sich dann nicht vorhalten, Milo bis zum letzten Moment, also noch gestern Abend in der Kirche Santo Spirito , ahnungslos bei seiner Flucht geholfen zu haben. Aber Julius hatte recht, eine Stadt wie Rom ließ sich nicht länger als ein paar Tage in einem Ausnahmezustand halten.
»Möchtest du ein Bad nehmen, Sandro? Wie du siehst, steht hier ein zweiter Zuber.«
Es gab Angebote, die von dem, der sie machte, als überaus verlockend und von dem, der sie bekam, als überaus fad angesehen wurden. Dieses war ein solches.
»Vielleicht ein anderes Mal, Eure Heiligkeit. Jetzt muss ich über ein heikles Thema mit Euch sprechen.«
»Wie überraschend! Wo du doch sonst nie über heikle Themen mit mir sprichst.«
Sandro gab den beiden Dienern ein Zeichen, dass er mit dem Papst allein zu sein wünsche, wartete, bis sie gegangen waren, und stellte sich neben den Zuber. »Unsere Besprechung ist für die Ohren von Domestiken ungeeignet, Eure Heiligkeit.«
»Und wer schrubbt mir nun den Rücken?«
»Ich werde das machen.«
Sandro ergriff sogleich die Bürste, beugte sich über den Zuber und begann mit der Reinigung der päpstlichen Haut. Nach einer kurzen Weile sagte er: »De Soto ist tot.«
Julius fuhr herum, und ein Schwall Badewasser platschte auf Sandros Soutane.
»Erhängt. Es sieht nach Selbstmord aus. Da jedoch Visitatoren ebenso wie Päpste sehr wohl wissen, dass fast nichts so ist, wie es zu sein scheint, glauben wir natürlich keinen Lidschlag lang an Selbstmord, nicht wahr, Eure Heiligkeit? Wir kannten Luis de Soto zu gut.«
»Willst du damit andeuten, ich wüsste etwas über seinen Tod?«
»Nein.« Und das stimmte auch. Über seinen Tod beziehungsweise das Motiv seiner Ermordung war Julius gewiss nicht im Geringsten im Bilde. Über Luis’ Treiben zu Lebzeiten jedoch … »Ich will nur sagen, dass er weit mehr als ein beliebiger Geistlicher für Euch war. Immerhin, Eure Heiligkeit, habt Ihr ihm wichtige Missionen übertragen. Zum Beispiel war er Euer Wortführer auf dem Konzil von Trient. Ihr habt ihn gefördert, ähnlich wie mich.«
Julius fuhr erneut herum, ein zweiter Schwall Wasser landete auf Sandros Sandalen.
»Das war nicht dasselbe«, sagte Julius. »Darauf lege ich
großen Wert. De Soto war Diplomat, ein politischer Kopf, ich habe ihn gebraucht, um die Interessen der einzig wahren Kirche und des Heiligen Stuhls zu wahren.«
»Ihr hättet ihn gerne als Nachfolger Loyolas gesehen.«
»Das gebe ich zu. De Soto wäre ein General ohne Format geworden, aber genau deshalb hätte man mit ihm über alles reden können. Loyola ist - wie sage ich es? - ein rechter Dickschädel. Er tut immer so, als sei er der Diener des Papstes, tatsächlich gelingt es ihm, alles so zu machen, wie er es will. Und er hat in allem seine Finger drin: Konzil, Missionierung der Heiden, Kampf gegen den Protestantismus, Ausbildung der Geistlichen, Schulwesen … Das sind wichtige Bereiche der Zukunft, Sandro. Weißt du, dass es sein erklärtes Ziel ist, dass die Jesuiten eines Tages die Beichtväter sämtlicher Fürsten stellen? Ohne den Jesuitengeneral werden Päpste schon bald keine Machtpolitik mehr betreiben können, ja, wir werden auf seinen Nachrichtendienst angewiesen sein, während er alles mitkriegt, was wir reden und tun.«
»Vergesst nicht, dass Ihr einen Jesuiten im Vorzimmer sitzen habt.«
»Erstens bist du viel zu ungehorsam, um als richtiger Jesuit zu gelten, und zweitens sitzt du kaum im Vorzimmer, weil du entweder Mörder jagst oder Kranke wäschst.«
»Manchmal auch Päpste.«
»Da du es erwähnst - mein Rücken ist keine Werkbank, Sandro. Wenn du weiter so darauf herumschmirgelst, habe ich bald keine Haut mehr.«
Sandro legte die Bürste beiseite, ging um den Zuber herum und lehnte sich mit den Armen auf dessen Rand. Der heiße Dampf schlug ihm ins Gesicht.
»De Soto hatte irgendetwas vor. Ich habe mir den Kopf zermartert, was es gewesen sein könnte, aber ich komme immer wieder auf meinen ersten Einfall zurück: Er wollte um jeden
Preis Rektor des Germanicums werden, damit er, wenn es eines Tages um die Nachfolge Loyolas geht, eine gute Ausgangsposition hätte. Denn trotz
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