Der Schwarze Papst
nicht toleriert. Zwar lehnte der Pater General Strafmaßnahmen jedweder Art strikt ab - in anderen Orden kannte man solche durchaus -, dafür wurde kurzerhand der Ausschluss verhängt, die »Trennung«, wie Ignatius es nannte.
Sandro hatte sich bisher keiner Verfehlung schuldig gemacht. Aber er war auf bestem Weg, es dahin kommen zu lassen. Er hatte eine hervorgehobene Position in einem den weltlichen Freuden nicht abgeneigten Umfeld des Papstes inne; er unterstand nur formal dem Jesuitenprovinzial von Rom, der ihn jedoch selten zu Gesicht bekam; er erledigte eine für Geistliche im Allgemeinen und für Jesuiten im Speziellen ungewöhnliche Aufgabe. Das entging auch Ignatius nicht.
Aber was hätte Sandro ihm antworten sollen? Ehrwürdiger Pater General, ich liebe eine Frau und will sie haben, aber gleichzeitig will ich Jesuit und Visitator bleiben.
Er musste lügen. Er musste sich verstellen. Nicht vor dem vergnügungssüchtigen Papst, der Sandros Bemühungen um Liebe und Erfolg nicht nur hinnahm, sondern sogar unterstützte. Nein, er musste vor einem der respektabelsten Männer des Jahrhunderts ein Schauspiel abliefern.
»Mein Kopf«, sagte Sandro, »arbeitet für die Wahrheit, ehrwürdiger Pater General. Wer, wenn nicht ein Geistlicher, sollte sonst die Umstände eines Verbrechens innerhalb gesegneter
Mauern ans Licht bringen? Die Treue und enge Verbundenheit unseres Ordens mit dem Heiligen Stuhl hat die Wahl des Papstes auf einen Jesuiten fallen lassen. Nur der Societas Jesu traut er zu, die Geheimnisse, die bei der Aufklärung eines Verbrechens zwangsläufig zutage treten, für immer unter Verschluss zu halten. Das ist eine hohe Auszeichnung für uns alle.«
»Diese Arbeit hat dich jedoch einige Gewohnheiten annehmen lassen, Bruder Carissimi, die ich nicht billigen kann. Bruder de Soto teilte mir mit, dass du dich in Trient unbotmäßig aufgeführt hast. Der Provinzial von Rom erzählte mir, dass du deine Arbeit im hiesigen Hospital, wo du dich kaum noch blicken lässt, vernachlässigst. Ich selbst muss erstaunt feststellen, dass du einen Diener an deiner Seite hast. Andererseits überschlägt der Heilige Vater sich geradezu in Lobeshymnen, was deine Person betrifft. Ich erfahre, dass du deinen Einfluss einsetzt, um gute Werke zu tun, beispielsweise hat der Heilige Vater seine Zuwendungen an die Armenhäuser von Rom deutlich erhöht. Dann wieder höre ich, deinen Charakter betreffend, von problematischen Entwicklungen. Du siehst, Bruder, ich erhalte kein einheitliches Bild. Mein Gefühl sagt mir, dass sich hinter deiner Neigung, Fragen und Gegenfragen zu stellen, eine Art von Flucht vor dir selbst verbirgt. Du bist nicht mehr im Reinen mit dir.«
»Aber Ihr selbst, Pater General, befürwortet die unbedingte Loyalität zum Heiligen Stuhl.«
»Es geht hierbei nicht um den Heiligen Stuhl, sondern um dich.«
Ignatius zögerte, dann fuhr er fort: »Jeder Mensch hat eine Schwäche, Bruder, ein Schlupfloch, in das etwas Fremdes eindringen kann. Ich sage dir ganz freimütig, dass meine Schwäche die Sentimentalität ist, ja, ich hänge sehr an Vergangenem und Vertrautem, und das verstellt mir bisweilen den Blick auf die Gegenwart. Deine Schwäche, Bruder, scheint mir - nach allem,
was ich höre und beobachte - der Wunsch zu sein, jedem zu helfen, sowie der Drang, es allen recht zu machen. Lass dir sagen, dass diese beiden scheinbar untadeligen Bedürfnisse unter ihrer Schale den giftigen Keim der Zersetzung tragen. Ja, sie zersetzen den Charakter, denn Kraft kann nur durch Sammlung entstehen, niemals durch Verzettelung. Wer es jedem recht machen will, wird zerrieben, und das bedeutet, dass aus etwas Ganzem ein beliebig verformbarer Haufen Einzelteile geworden ist. Es ist Tradition in dem Orden, dem wir beide dienen, dass man sich den Gefahren und Verlockungen der Welt stellt, ja, sich ihnen absichtlich aussetzt, mit dem Ziel, sie zu bestehen. Ich bin mir nicht sicher, ob du, Bruder, noch dieses Ziel hast.«
Sandro wusste, dass die Mahnungen des Generals sich auf die Nähe zum Vatikan bezogen, aber er selbst bezog sie auch auf seine Liebe zu Antonia, und deswegen nahm er Ignatius von Loyola seine Worte übel. Er weigerte sich, zu glauben, dass er drauf und dran war, ein verformbarer Haufen zu werden, schon gar nicht durch Antonias Schuld. Was war falsch daran, eine Frau zu lieben und gleichzeitig der Kirche zu dienen? Worin lag der Fehler, wenn er einem schuldbewussten Papst die Beichte abnahm und ihn zu guten
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