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Der Schwarze Papst

Titel: Der Schwarze Papst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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ein jüngerer Bruder. Und manchmal schien es tatsächlich so zu sein.
    Er fügte hinzu: »Ich hatte zu tun.«
    »Um diese Zeit schleppst du noch Holz und Mörtel?« Ihr Vater arbeitete für einen jener Bauleute, die einfache Baracken errichteten, und Rosinas Bruder half ihm. Für seinen Vater schleppte er die schweren Sachen, natürlich ohne dafür entlohnt zu werden. Nur ab und zu steckte der geizige Vater ihm eine kleine Münze zu.
    »Holz und Mörtel«, sagte Franco enttäuscht, als handele es sich um verlorene Wetten. »Nein, heute habe ich für dich gearbeitet, Rosinchen.«
    »Ach, was du nicht sagst«, murmelte sie in gespielter Gleichgültigkeit. »Welchen Wunsch hast du mir erfüllt?«
    »Erzähl mir von deinen Wünschen. Nun komm, zier dich nicht, erzähl sie mir alle.«

    Sie schloss die Augen. Die Musik drang jetzt wieder in sie ein, und sie war wie Wein, wie Trunkenheit. Die Wünsche zogen langsam an Rosina vorüber, gleichsam Karawanen, beladen mit Kisten voll mit Spezereien.
    »Ein Haus mit viel Platz«, flüsterte Rosina. »Die Sonne strömt herein, das Silber blinkt, ich streichle es, ich schmiege mich auf ein weiches Kleid, das auf dem Bett liegt.«
    Sie befeuchtete ihre trockenen Lippen.
    »Eine Kutsche mit vier Pferden - nein, zwei genügen. Zwei Pferde also, die mich an Orte ziehen, die ich zufällig einmal beim Kartenzeichner um die Ecke gesehen habe, Orte mit verheißungsvollen Namen, hinter denen sich etwas zu verbergen scheint: Fontainebleau, Montserrat, Lochleven, Utrecht, Antiochia, Saloniki …«
    Sie seufzte leise. »Aber im Grunde braucht es all das nicht, sondern nur eines: ein Mann, der mich will, der mich wirklich will, der in mir etwas Wichtiges für sich sieht. Und genug Geld, um nicht den nächsten Tag fürchten zu müssen. Damit will ich zufrieden sein.«
    Francos Hand berührte ihre Schulter, und er flüsterte in ihr Ohr: »Siehst du, genau dafür habe ich heute gearbeitet.«
    Nun wandte sie sich ihm zu. Sie waren sich ganz nah, das war schon immer so gewesen. Daran war nichts Verwerfliches, nichts, was einen Ablass gekostet hätte. Sie waren sich eben nur nah, ungewöhnlich nah, das war alles. Er war keiner dieser ewig eifersüchtigen Brüder, die ihren Schwestern keinen Spaß erlaubten. Wenn sie tanzte, klatschte er dazu, wenn man sie bewunderte, freute es ihn. Auch darin war er also eher ein jüngerer als ein älterer Bruder. Er würde ihr jeden Mann gönnen. Sogar zwei Männer.
    Sie küssten sich auf die Wangen. Rosina betrachtete ihn. Wie viel von ihr selbst sie an ihm wiedererkannte: die kleinen schwarzen Locken, die etwas zu vollen Wangen, die immer
ein wenig ölige, braune Haut, und in den dunklen Augen der Glanz des Ehrgeizes, des Willens, hier herauszukommen.
    »Was hast du getan?«, fragte Rosina, und vielleicht sprach sie es mit Misstrauen aus.
    »Du glaubst doch wohl nicht, dass Wünsche, wie wir sie haben, vom Himmel fallen?« Francos Stimme hatte sich verändert. Es war nun die Stimme eines älteren Bruders. Rosina passte sich dieser Veränderung sofort an. Sie wusste aus Erfahrung, dass die Rolle des ein wenig gekränkten Schwesterchens und Täubchens für heute ausgespielt war. Er redete ernsthaft mit ihr, und das hieß, dass er die Führung übernahm, der sie sich stets unterordnete.
    Als er sah, dass sie nicht widersprechen würde, egal, was er sagte, wurde sein Ton wieder sanfter, wenn auch nicht mehr so verspielt wie zu Anfang des Gesprächs. »Unsere Wünsche erfordern Maßnahmen, die …«
    Er ließ den Satz absichtlich ins Leere laufen, dorthin, wo die Fantasie allen Raum hat und alles entstehen lassen kann.
    Sie waren sich wieder nah, so nah. Es war, als würden ihre Augen sich berühren, und sie spürte erneut das, was sie verband, all die Ähnlichkeiten, zu denen auch das Böse gehörte.
    »Was hast du getan?«, fragte sie noch einmal, aber diesmal ohne Misstrauen oder Vorwurf. »Was willst du, dass ich tue?«
    Sie wartete seine Antwort nicht ab, denn sie fürchtete sich vor ihr. Ihr Herz pochte wie bei einem Schicksalsschlag - und zugleich wie bei einer immensen Vorfreude.
    »Komm, sieh zu, wie ich tanze.« Sie eilte in die Mitte des Hofes, wo das Feuer der Ausgelassenheit schon am Verglimmen gewesen war. Nun flackerte es noch einmal auf.
    Tanze, Rosina, tanze dir den Teufel aus dem Leib.
    Rosina tanzte mit ihm.

4
    »Ich weiß so gut wie nichts über Johannes von Donaustauf«, sagte Ignatius von Loyola. »Seine Anmeldung zum Unterricht traf als Erste

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