Der Schwarze Papst
Nachthemd trage. Und was nun? Du willst natürlich den Mord aufklären. Hat Loyola zugestimmt?«
»Ohne Begeisterung. Er hat mir zahlreiche Auflagen gemacht. Forli, den ich zur Hilfe gerufen hatte, musste ich wieder wegschicken.«
»Und nun erwartest du, dass ich dir den Rücken stärke.«
»Ich bin Visitator, Eure Heiligkeit. Das ist meine Arbeit. Und sie macht nur Sinn, wenn ich nach eigenem Ermessen vorgehen darf.«
Julius dachte nach. Er hatte Sandro in den letzten Wochen so sehr mit Arbeit eingedeckt, dass er fast darin erstickte. So viele private Briefe hatte Julius schon lange nicht mehr diktiert, er hatte sogar Leuten geschrieben, die er nicht ausstehen konnte, und das alles nur, damit Sandro keine Zeit für etwas anderes - besonders für die Aufklärung des Todes von Carlotta da Rimini - blieb. Julius hatte von Massa und Massa hatte vom »Todesengel« erfahren, dass Sandro Ungereimtheiten beim vermeintlichen Selbstmord der Hure aufgefallen waren und dass er sich seither mehr für den Todesfall interessierte, als Julius recht sein konnte. Wie viel wusste er bereits? Hatte
die Hure Carlotta da Rimini ihm je von ihrer Vergangenheit erzählt, davon, dass Julius in seiner Zeit als Erzbischof den Tod ihrer Familie verschuldet hatte? Wieso hätte sie das tun sollen, da es ihr doch darum gegangen war, sich an Julius zu rächen, indem sie seinen Sohn tötete? Nein, Sandro war ahnungslos, und doch - er war gut, zu gut in dem, was er tat, als dass man ihn nach Herzenslust hätte ermitteln lassen dürfen. Julius setzte auf Zeit. Noch ein paar Wochen harter Arbeit für Sandro, und die Sache wäre ausgestanden.
So gesehen war der Mord im Collegium Germanicum für ihn nützlich.
»Gib mir Wein«, bat er.
»Wie bitte?«
»Wein. Dort drüben steht welcher. Nimm dir auch welchen.« Er musste nachdenken, und das ging besser mit Wein. Und tatsächlich: Er roch ihn, und sofort fiel ihm ein weiterer Nutzen ein, wenn Sandro im Fall des toten Schülers ermitteln würde.
»Wenn einer diesen Mord aufklären wird, dann du«, lobte er ehrlich, aber auch mit Kalkül. Man nahm Menschen für sich ein, wenn man sie lobte. »Schön, ich stelle dich frei. Und ich gebe dir volle Handlungsfreiheit. Aber bevor du dich freust, Sandro, will ich dir noch einmal in Erinnerung rufen, was ich dir schon mehrfach geraten habe: Du darfst dir nicht immer nur Feinde machen, du musst dir auch ein paar Freunde und Unterstützer suchen. Deine Leidenschaft für Kriminalistik und deine Kompromisslosigkeit haben dir Sympathien bei der Bevölkerung eingebracht, aber die Bevölkerung zählt nicht. Du wirst künftig darauf angewiesen sein, Kardinäle, Kämmerer und hohe Ordensleute auf deiner Seite zu haben, Menschen, die dich gegen Anfeindungen verteidigen. Und Anfeindungen wird es geben, und die können dir höchst gefährlich werden. Das kann ich nicht oft genug betonen.«
»Redet Ihr von jemand Bestimmtem? Von Massa?«
»Massa ist ein Problem, aber ein kleines. Ich spreche von Luis de Soto. Seine Verbindungen in die Bistümer und den Vatikan sind exzellent. Er hat schon mehr Leuten Gefälligkeiten erwiesen, als du Haare auf dem Kopf hast. Dreiviertel der Kurie steht in seiner Schuld. Wenn du ihm auf die Füße trittst, Sandro, und er schreit, dann springen hundert Wölfe aus den Büschen und zerfleischen dich.«
»Eure animalische Wortwahl verursacht mir Gänsehaut«, scherzte Sandro.
»Das ist nicht witzig«, rief Julius streng. »Meine Möglichkeiten, dich zu schützen, sind begrenzter, als du glaubst, Sandro. Wenn de Soto es heute darauf anlegen würde, Front gegen dich zu machen, dann würde ihm das mühelos gelingen. Niemand ist unangreifbar, und auch ein mühsam erworbener Leumund ist schnell Schall und Rauch. Über Dritte könnte er Ermittlungen gegen dich einleiten lassen, er ist gut bekannt mit mehreren Inquisitoren. Ein Machtwort von mir könnte dich vor dem Schlimmsten bewahren, aber sobald eines Tages die tausend Glocken meinen Tod verkünden … Wenn schon nicht an dich selbst, musst du wenigstens an diejenigen denken, die dir nahestehen.«
Mit dem letzten Satz hatte er Sandro endlich aufgerüttelt.
»Also überdenke gut und wäge ab, bevor du etwas gegen de Soto unternimmst«, fügte Julius hinzu. »Ich sollte dir diesen Mordfall eigentlich nicht übertragen, aber ich weiß ja, dass du keine Ruhe geben würdest.« Julius hob ein wenig besorgt, aber auch zufrieden den Kelch. »Auf gutes Gelingen.«
Sandro nickte. »Auf die
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