Der Schwarze Papst
man Euch gewähren lassen, würdet Ihr die schlimmsten Lügen über ihn herumerzählen. Vielleicht seid Ihr ein guter Visitator, Vater, aber Ihr seid kein guter Bruder und Jesuit.« Miguel machte eine kleine Pause und fuhr dann, in weniger anklagendem Ton, fort: »Ich hatte nicht vor, Euch das alles zu sagen. Bruder Luis wünschte es nicht, ich musste ihm sogar versprechen, zu schweigen. Aber nun … Ich kann es ertragen, dass Ihr mich schlecht behandelt, Vater. Ich kann es jedoch nicht ertragen, dass Ihr meinem Mentor und Freund Luis de Soto niedrige Motive unterstellt.«
Sandro reagierte nicht sofort. Er ging sehr langsam auf Miguel zu, ließ ihn nicht aus den Augen. Als er unmittelbar vor ihm stand, sodass gerade eine Faust zwischen die beiden Körper gepasst hätte, fragte er: »Seid Ihr fertig?«
»Ja, Vater.«
»Ganz sicher?«
»Ja, Vater.«
»Gut, dann werde ich Euch etwas sagen.« Sandro sprach langsam und deutlich. »Ihr seid ein Esel, Bruder Rodrigues.
Von unglaublicher Dummheit und Naivität und von erbärmlicher charakterlicher Schwäche. Euer Alter entschuldigt Euch in keiner Weise. Es gibt jüngere Männer und Frauen als Ihr, die das Hundertfache von dem wenigen verstehen, das Ihr für Euch in Anspruch nehmen könnt. Das wäre alles nicht so schlimm, wenn Ihr nicht jenem Mann dienen würdet, der sich anschickt, unseren Orden zu leiten. Das lässt einen um die Zukunft bange werden. Man kann nur hoffen, dass Luis Euch fallenlässt, bevor Ihr irgendeinen Schaden anrichten könnt. Und wenn er Euch fallenlässt, dann gnade Euch Gott, denn die Beschränktheit Eures Geistes ist so erschreckend, dass sie unter den Menschen noch nicht einmal Mitleid hervorrufen wird.«
Miguel war erstarrt, der Blick nach innen gerichtet.
Kühl, ein Henker mit Worten, fügte Sandro hinzu: »Ihr seid ein Niemand, ein Nichts. Und als Kaufmannssohn ergänze ich: eine Null.«
Sandro schob den jungen Mann zur Seite und öffnete die Tür.
Vor ihm stand Hauptmann Forli, der gerade die Hand erhoben hatte, um anzuklopfen.
Forli erkannte sofort, dass etwas nicht stimmte. »Was ist los?«, fragte er.
»Was soll denn los sein?«
»Ich bin gewöhnt, dass Ihr blass wie Schlagrahm ausseht, Carissimi, aber jetzt seid Ihr rot im Gesicht, als habe eine Frau Euch im Schritt gekrault.«
»Wirklich, Forli, Eure Vergleiche sind unangebracht und empörend!«
Forli zog eine Grimasse. »Empörend«, wiederholte er in gestelztem Tonfall. Manchmal kehrte Carissimi den Mönch hervor, daran war Forli gewöhnt, und eigentlich fand er es recht lustig.
Sie standen noch immer diesseits und jenseits der Türschwelle, und in diesem Moment kam Miguel Rodrigues aus einem Winkel des Zimmers. Forli hatte ihn bisher nicht bemerkt. Der junge Portugiese schlüpfte wortlos und mit gesenktem Kopf eilig zwischen ihnen hindurch und lief die Treppe hinauf, aber Forli war nicht entgangen, dass er ebenso errötet war wie Carissimi.
»Wenn ich nicht wüsste«, sagte Forli an Carissimi gewandt, »dass Ihr eher auf Glasmalerinnen steht, würde ich denken, dass Ihr und der Junge da drin etwas zusammen gemacht habt, das zu beichten wäre.«
Forli lachte lautlos und ließ sich von Carissimi ins Zimmer ziehen. »Na, Ihr seid ja ein Draufgänger«, rief er dem Jesuiten zu und lachte erneut über seinen eigenen Scherz. Er fand nun einmal, dass seine Scherze die besten waren.
»Ich bin nicht in Stimmung, Forli«, sagte Carissimi ungehalten.
»Na, da habe ich ja noch mal Glück gehabt.«
»Forli!«
»Ja, schon gut, schon gut. Ihr habt ja eine Laune … Im Gro ßen und Ganzen seid Ihr kein übler Kerl, Carissimi, aber Euch fehlt Humor. Wenn man nichts zu lachen hat, vertrocknet man. Das ist so, wie keine Frau zu haben. Da vertrocknet man auch. Und Ihr habt weder das eine noch das andere. Das ist ungesund - und ein schweres Schicksal dazu.« Forli lachte. »Ich muss Euch warnen: Wenn Ihr mir arg gegen den Strich geht, haue ich Euch eine runter, wie üblich.«
»Was tut Ihr überhaupt hier? Das Collegium ist für Euch tabu.«
»Habe ich die Blattern? Habe ich Aussatz?«
»Ihr habt eine Uniform an.«
»Soll ich sie ausziehen? Das könnte missverstanden werden.« Forli lachte. Doch als Carissimi immer noch gereizt aussah,
verschränkte er die Arme vor der Brust und wurde nachdenklich. Ihm war klar, dass in diesem Zimmer eine Auseinandersetzung zwischen Carissimi und Rodrigues stattgefunden und dass sie etwas mit de Soto zu tun gehabt hatte. In dieser langweiligen
Weitere Kostenlose Bücher