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Der Schwarze Papst

Titel: Der Schwarze Papst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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missbraucht? Hatte er seinen Einfluss benutzt, um jemandem zu schaden oder jemanden zu protegieren? Hatte er sich Privilegien herausgenommen? Nicht ein einziges Mal! Hatte er jede freie Stunde genutzt, um für die Armen und Kranken im Hospital da zu sein? Hatte er sie in seine Gebete eingeschlossen? Stellte er sein Tun auf den Prüfstand? Immerzu!
    Und plötzlich bezeichnete ihn die höchste Instanz des Ordens als selbstherrlich, während Luis, der in seinem ganzen Leben noch keinen Kranken berührt, geschweige denn gepflegt hatte, als Bewahrer der Bescheidenheit und Demut hingestellt wurde.
    Sandro hatte stets zu Ignatius aufgeblickt, wenngleich er ihm nie begegnet war. Ein spanischer Soldat war durch unsagbaren Schmerz zu Gott gelangt und hatte einen ungewöhnlichen, volksnahen, barmherzigen Orden gegründet, eine geistliche Gesellschaft, die Hospitäler und Schulen statt Klöster und Kathedralen baute, die auf Prunk und Bischofstitel verzichtete, auf Weltmeeren fuhr und die Wissenschaften unterstützte. Jedwede übertriebene Form von Religiosität oder Zurschaustellung, wie sie in manch anderem Orden üblich war, lehnte Loyola ab: Kasteiungen, spektakuläre Teufelsaustreibungen, ein ins Maßlose gesteigerter Reliquienkult, Fackelumzüge bei Nacht mit mystischen Gesängen und überhaupt jede Form von theatralischer Zurschaustellung, die imponieren sollte, galten ihm als primitive Selbstinszenierung. Ein verehrungswürdiger Mann, zweifellos. Von immenser geistlicher Bedeutung, und Papst Julius an Spiritualität und Erkenntnis weit überlegen.

    Und doch … der Papst war Sandro zugetan, der schwarze Papst war von ihm enttäuscht. Der Papst würdigte Sandros Talent, der schwarze Papst empfand es als belanglos. Beide gaben Luis de Soto eine herausragende Stellung - der eine als päpstlicher Gesandter für das Konzil von Trient, der andere als Rektor einer Schule -, aber während Julius sich über Luis’ Wesen keine Illusionen machte und ihm nicht über den Weg traute, ließ Loyola sich Sand in die Augen streuen.
    Überrascht stellte Sandro fest, dass er Julius näher stand als dem ehrwürdigen und verehrungswürdigen General der Jesuiten.
    Hier und heute stieß Sandro mit Loyola und dem unbedingten Gehorsam zusammen. Loyola verstand nichts von Sandros Arbeit, von Morden und deren Aufklärung. Für ihn bestand das Böse hauptsächlich in der Verführung des Menschen, und er beschäftigte sich damit, wie man der Verführung entgegenwirken konnte, nicht, wie man einen bereits zum Bösen Verführten, einen Mörder, bekämpfte. In Loyolas Augen war dieses Haus nichts anderes als eine Stätte geistlichen Wirkens der Brüder. Was er nicht wahrhaben wollte, war, dass jedes Haus, ausnahmslos jedes, eine Ansammlung von Geschichten war, von Biografien, Leidenschaften und Ängsten, die von den Bewohnern hereingetragen wurden und sich unter der Oberfläche verfingen.
    »Bruder Carissimi, ich halte es für notwendig, dich neuen Aufgaben zuzuführen. Ich werde dich nach Coimbra schicken, wo du ein Schiff in die Neue Welt besteigen wirst. Wir bauen dort derzeit mehrere Hospitäler auf. Deine Erfahrung bei der Pflege der Kranken wird außerordentlich nützlich sein, und ich glaube, dass du in dieser Funktion zu einer neuen Klarheit gelangen wirst.«
    Sandro beugte sich auf dem Stuhl nach vorn, und sein Gesicht verzerrte sich, wobei er ignorierte, dass er damit gegen Loyolas Regel der Körperbeherrschung verstieß.

    »Ihr schickt mich - in die Neue Welt?«
    »Wenn du lieber nach Indien möchtest, bin ich bereit …«
    »Ich will nicht nach Indien«, unterbrach er. »Ich will auch nicht in die Neue Welt. Ich habe hier und jetzt eine Aufgabe zu erledigen.«
    »Von der ich dich entbinde, Bruder.«
    »Ich stehe in den Diensten Seiner Heiligkeit.«
    »Selbstverständlich werde ich mit ihm sprechen«, sagte Loyola, ungerührt von Sandros Aufregung.
    »Das werde ich ebenfalls«, erwiderte Sandro. Er war als Visitator erfolgreich, und er war nicht bereit, sich das wieder nehmen zu lassen. Von niemandem. Auch nicht vom Ordensgeneral. Und schon gar nicht von Luis. »Dann werden wir sehen, wie der Papst entscheidet.«
    »Es handelt sich um eine innere Angelegenheit des Ordens. Der Heilige Vater wird das einsehen.«
    »Da ich nicht als Jesuit in Eurem Auftrag ein Hospital im Dschungel aufbauen und gleichzeitig als Visitator des Papstes einen Mord im Collegium Germanicum aufklären kann, handelt es sich eben nicht nur um eine

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