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Der Schwarze Papst

Titel: Der Schwarze Papst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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bezüglich der Wichtigkeit des Ordens und der wohlüberlegten Statuten lösten sich mit umständlich formulierten Fragen ab, wie die Bruderschaft in Coimbra wachse und gedeihe. Alles in allem ein freundlicher Brief, der keinen rechten Zweck zu haben schien. Und doch: Zwischen den Zeilen meinte Sandro eine diffuse Mahnung herauszulesen.
    »Tut Euch keinen Zwang an, öffnet die Laden, ich habe keine Geheimnisse.« Magister Durés Stimme klang nur ein ganz klein
wenig beleidigt. Er murrte etwas vor sich hin und öffnete die oberste Lade des Schreibtisches.
    Sandro verneinte mit einer Geste. »Ich wurde nur wegen des Adressaten aufmerksam. Der Name Rodrigues …«
    »… steht auf Eurer Liste.«
    »Wieso glaubt jeder, ich habe eine Liste?«
    »Bruder Carissimi« - Duré seufzte und atmete tief ein - »sollte einer der Brüder oder Schüler dieses Hauses glauben, er stehe nicht unter Verdacht, ist er ein Schwachkopf. Was diesen Brief angeht: Der ehrwürdige Vater hat ihn mir heute Morgen diktiert, kurz bevor er von Bruder de Soto über Eure - Eure Aktivitäten informiert wurde. Es ist der Brief eines alten Weggefährten an einen anderen. Mehr nicht.«
    »Das sehe ich genauso.«
    »Wie schön.«
    »Dennoch - eine leise Kritik des ehrwürdigen Vaters an seinem Weggefährten meine ich wahrzunehmen. Was soll beispielsweise die seltsam vorsichtig formulierte Frage nach dem Wachsen der Provinz Coimbra?«
    Duré schloss die Lade wieder und rollte den Brief zusammen. »Ich kann nur spekulieren, denn ich schreibe zwar die Worte des Ehrwürdigen auf, kenne aber nicht die Gedanken, die dahinterstecken.«
    »Nun, so spekuliert bitte.«
    Duré atmete tief durch. »Vermutlich hängt seine Frage damit zusammen, dass die Bruderschaft in Coimbra über die Maßen stark wächst. Der Zulauf ist doppelt so groß wie in anderen Provinzen, und der Ehrwürdige sorgt sich, dass die …« Duré suchte nach einem passenden Wort. »Dass die Qualität der Bruderschaft dadurch in Mitleidenschaft gezogen wird. Die Führung durch den ehrwürdigen Simon Rodrigues ist manchmal zu lasch. Er lässt gerne die Zügel schleifen und ist ein derart spiritueller Mensch, dass er darüber vergisst, auf welchen
Richtlinien die Societas Jesu sich gründet: Bildung, Barmherzigkeit, Gehorsam. Solche Vergesslichkeit wäre in jeder Provinz problematisch, aber in Coimbra, der alle Provinzen in Übersee unterstehen, würde es sich zehnmal so schlimm auswirken. Der Brief ist lediglich eine freundschaftliche Erinnerung, die Statuten streng anzuwenden, eventuelle Auswüchse zu unterbinden und nicht jeden Beliebigen in den Orden aufzunehmen.«
    »Verstehe.«
    »Ich bezweifle«, sagte Duré, »dass die Kenntnis dieses Briefes Euch bei den Ermittlungen voranbringen wird.«
    »Wohl nicht.«
    »Demnach darf ich ihn siegeln und abschicken?«
    Sandro lächelte. »Natürlich.«
    Sandro war mit dem ordenseigenen System des Nachrichtenaustauschs vertraut. Es gab in allen Provinzen Brüder, die nur dazu abgestellt waren, Schriftstücke in andere Provinzen zu bringen, wo sie an die Adressaten verteilt wurden. Simon Rodrigues würde den Brief in einer Woche in Coimbra in Händen halten.
    Sandro räusperte sich und sah zu Boden. »Aus unserer zwanglosen Unterhaltung schließe ich, dass der Ehrwürdige - dass es dem ehrwürdigen Pater General - dass er …«
    »Es geht ihm bedeutend besser, ja«, sagte Duré sachlich, aber kurz. Er bereitete das Siegeln vor. »Bruder Königsteiner wacht bei ihm, er versteht ein wenig von Medizin und kann rasch eingreifen, sollte der Ehrwürdige einen Rückfall erleiden.«
    »Wenn Ihr wieder zu ihm geht, würdet Ihr ihm bitte von mir ausrichten, dass …«
    »Offen gestanden, Bruder Carissimi, habe ich medizinische Einwände dagegen, dass der Ehrwürdige heute oder morgen mit Eurem Namen konfrontiert wird, egal, in welchem Zusammenhang. Er hatte einen Herzanfall, und Ihr seid nicht ganz unschuldig daran.«

    Duré entzündete eine Öllampe und erwärmte das Siegelwachs über der Flamme. Seine Hände zitterten leicht. Er verteilte das Wachs mit schnellen Bewegungen auf der Plombe.
    »Was habt Ihr ihm eigentlich unter die Zunge gelegt?«, fragte Sandro.
    Das Siegel in Durés Faust wurde kraftvoll auf die Plombe gedrückt.
    »Poleiminze, was sonst?«, erwiderte Duré. »Ich habe ihm Poleiminze unter die Zunge gelegt. Das wollt Ihr doch hören, nicht wahr? Darauf zielt Eure Frage doch ab. Ein Arzt im Besitz medizinischer Kenntnisse und zahlreicher Mittelchen in

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