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Der Schwarze Papst

Titel: Der Schwarze Papst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Flakons, dazu ein Toter und ein Herzanfall. Offensichtlich, ganz offensichtlich. Ihr dringt in mein Zimmer ein, lest die Korrespondenz, stellt scheinheilige Fragen …«
    Duré hielt inne, atmete tief durch, stützte sich auf den Schreibtisch und sank langsam auf einen Stuhl nieder. Er rieb sich die Augen, und dann, nach einem Augenblick der Starre, wischte er mit den Händen über sein Gesicht, als streife er Schmutz ab.
    »Galgantwurzel«, sagte er müde und leise, ohne Sandro anzusehen. »Ich gab ihm Galgantwurzel. Ein Rezept der Heiligen Hildegard bei Herzbeschwerden, die von Magen und Galle herrühren. Ich trage immer eine Knolle bei mir.« Er schwieg einen Augenblick. »Mir scheint, ich muss mich bei Euch entschuldigen, Bruder Carissimi.« Er blickte noch immer an Sandro vorbei. »Der Zusammenbruch des Ehrwürdigen hat mich sehr mitgenommen. Ich dachte, er sei auf dem Weg der Besserung, er hätte seine Beschwerden überwunden, aber nun … Ich habe mich vor Euch zum Narren gemacht, Bruder, und war äußerst ungerecht.«
    Sandro setzte sich dem Arzt gegenüber auf den Schemel. Duré sah mehr als mitgenommen aus, er wirkte geradezu verstört wie jemand, der mitten in der Nacht erwacht und feststellt, dass das Haus in Flammen steht.

    »Ich bin ganz anderes gewöhnt, macht Euch darüber keine Gedanken«, beschwichtigte Sandro. »Ihr erwähntet Herz, Magen und Galle. Die Aufzählung ließe auf einen schwerkranken Greis schließen. Aber der Ehrwürdige ist das Gegenteil davon, er scheint immer so gesund, so beherrscht und - unverwüstlich.«
    Duré nickte. »Ja, das ist wahr. Aber was glaubt Ihr, Bruder, um wie viele Dinge er sich kümmert und sorgt, wie viele Entscheidungen er trifft, wie viele Hiobsbotschaften er erhält, wie viel Feindschaft ihm entgegenschlägt, welche Stolpersteine dem Orden in den Weg gelegt werden? Könige wachen eifersüchtig darüber, dass die Jesuiten nicht zu viel Einfluss in den Neuen Welten des Westens und Ostens bekommen. Mitbrüder werden von Eingeborenen massakriert. Die Gegenreformation soll praktisch vom Ehrwürdigen allein bestritten werden, den Fürsten und Bischöfen ist das viel zu anstrengend. Diese Schule beispielsweise: Wer bezahlt sie, wer bringt das Geld auf? Es ist nie genug, was man tut, immer bleibt etwas ungetan. Der Ehrwürdige nimmt alles auf sich, sechzehn Stunden an sechs Tagen in der Woche. Er ist beherrscht, wie wahr! Besonnen, gleichmütig. Doch niemand kann eine Last tragen, ohne deren Gewicht zu spüren. Einen Teil lädt der Ehrwürdige im Gebet ab, den anderen Teil jedoch vergräbt er tief in seinem Innern. Nur so kann er die Fassung, für die er gerühmt wird, bewahren. Die Folge: Koliken, Ohnmachten, Herzanfälle. Wie Schlacke setzen die Sorgen sich auf seine Organe. Es ist ein Wunder, dass er noch lebt. Jeder andere wäre schon vor Jahren tot umgefallen.«
    »Nun, er hat Euch. Ihr sagtet, es sei ihm in letzter Zeit besser gegangen. Das hat sicher auch mit Eurer ärztlichen Unterstützung zu tun.«
    Duré winkte ab. »Ich habe ihm eine Diät und Mittagsschlaf verordnet, das ist alles. Nein, mein Anteil ist gering. Seit seiner Bekehrung wohnt diese besondere Kraft in ihm. Sie hielt ihn
zusammen, als er schwer verwundet ein Jahr lang Qualen litt, sie schenkte ihm Erkenntnis, als er nicht wusste, welchen Weg er einschlagen sollte, und gab ihm Kraft und Standhaftigkeit in den Jahren des Aufbaus. Das kommt von Gott, das ist eindeutig, aber da ist noch mehr, er ist nicht nur ein Werkzeug, er arbeitet auch aus eigenem Willen. Der Wille hält ihn zusammen.«
    Duré schien weitersprechen zu wollen, aber dann wandte er sich wieder dem Brief zu, den er bedächtig in den Beutel steckte. Der Arzt schien um Jahre gealtert.
    Sandro ahnte, was Duré seinem letzten Satz hatte hinzufügen wollen - ein Wort: noch.
    Noch wurde Ignatius von seinem Willen aufrechterhalten. Aber er war mittlerweile dünn und zerbrechlich wie das Porzellan, das Jesuiten aus China mitgebracht hatten, und der Tod eines Schülers war eine schwere Erschütterung gewesen.
    Und dann hatte er, Sandro, auch noch eine Machtprobe angedroht. Er würde vorsichtiger sein müssen. Am besten, er ginge ihm aus dem Weg. Ein Gutes allerdings hatte der Herzanfall: Ignatius würde für einige Tage das Krankenlager hüten.
    »Ich werde mein Verhalten bei dieser Untersuchung dem Zustand des Ehrwürdigen anpassen«, versprach Sandro dem Arzt. »Und ich setze meine Ankündigung sofort in die Tat um, indem ich Euch, nicht

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