Der Schwarze Papst
Milo. Das Hemd klebte auf seinem Rücken, machte die Konturen des Oberkörpers sichtbar, die Muskeln, die schlanke Hüfte. Locker spielte die dreiviertellange Fischerhose um seine Beine. Da er - wie fast immer - barfuß ging, waren die Fußsohlen schmutzig. Antonias Blick blieb auf diesem Körper haften. Zugleich aber spürte sie, wie zwischen ihr und dem Bereich hinter ihr, wo sie Sandros Schritte und seinen Atem vernahm, eine intensive Verbindung bestand, die ohne Blicke und Worte funktionierte. Antonia hatte sich verfangen in der Leidenschaft der Nächte, in geflüsterten Worten, in den Gesten der Liebe, in alten Hoffnungen und in Begehren, in der Kraft, die von dem einen Mann ausging, der sie mit großer Selbstverständlichkeit nahm und sich ihr ebenso selbstverständlich hingab, und in der Kraft des anderen Mannes, dessen verbotene Liebe seit Monaten gewachsen war und der die Ketten, die ihn banden, gesprengt hatte.
Zwei Kräfte, die auf Antonia einwirkten. Zwei Männer.
Lello wartete an der vereinbarten Stelle. Hoch oben lag er flach auf der Mauerkante und sah die Nacht kommen. Noch war sie grau, nicht schwarz, noch sah er die Konturen des Landes um sich herum, sah sein Häuschen, das von oben betrachtet ein Haufen aus Holz und Lehm zu sein schien, sah die Fledermäuse, die in den Nischen der Mauer ihre Höhlen hatten. Bald wäre es zu dunkel, um irgendetwas erkennen zu können. Dann wäre es nicht sein Fehler. Wenn Milo zu spät käme, durfte er ihn, Lello, nicht dafür verantwortlich machen. Ein bisschen musste er schon noch sehen können, um die Steine, die er aus der Mauer gebrochen hatte, treffsicher hinunterwerfen und den Jesuiten damit erschlagen zu können.
Bei dem Gedanken, einen Menschen zu töten, wurde ihm schlecht, und Lello wäre jetzt viel lieber in den Armen einer seiner vier Frauen gelegen, in denen der fülligen Lucia vielleicht, deren weiße, weiche Haut sich wie Rahmkäse anfühlte, oder in denen der kleinen Beata, der er zur Feier ihres morgigen Namenstags einen hübschen Kamm gestohlen hatte, eigens für sie, als Beweis seiner Wertschätzung. Das Leben war zu kurz, fand Lello, um es mit Morden zu verbringen.
Insgeheim hoffte er, das Opfer nur zu verletzen, wenn auch so schwer, dass Milo ihm keinen Vorwurf machen konnte. Milo hatte schon gesagt, wie er in diesem Fall die Tat zu Ende bringen würde: indem er einen der Steine aufheben und dem Jesuiten damit den Schädel einschlagen würde.
Nur noch wenige Augenblicke, dann würde er von der Mauer herabklettern. Schließlich brauchte er noch genug Licht, um heil hinunterzukommen, und Milo konnte ja wohl nicht erwarten, dass Lello die Nacht auf einer Mauer verbrachte oder sich beim Abstieg den Hals brach.
Gerade als Lello erleichtert dachte, er sei, zumindest für heute, vom Morden verschont geblieben, sah er drei Gestalten, die sich näherten.
Aber wieso drei? Lello erschrak. Von einer dritten Person war nicht die Rede gewesen. Wer war denn nun das Opfer?
Milo ging vornweg, wie angekündigt. Die Gestalt in der Mitte war etwas kleiner als die beiden anderen und trug, genauso wie die Person ganz hinten, ein ziemlich weites Gewand. Milo hatte nichts über die Körpergröße des Jesuiten gesagt. Was dachte er sich eigentlich, so spät noch aufzukreuzen, wo man fast nichts mehr sehen konnte? Und von so weit oben war es doppelt schwierig, zu erkennen, wer von den beiden hinter Milo der Jesuit war.
Lello musste sich entscheiden. Sie waren jetzt fast unter ihm. Milo ging vorüber. Und sechs, sieben Schritte hinter ihm folgte die zweite Gestalt.
Wenn Lello nicht alles täuschte …
Laurenzio Massa konnte die Nacht nicht ausstehen. Das hing mit der Zeit seines Noviziats zusammen. Die anderen Novizen hatten ausgerechnet ihn zum Ziel ihrer Streiche gemacht, und da am Tage die Frömmigkeit zu obwalten hatte, gingen sie des Nachts gegen ihn vor. Sie legten, während er schlief, ekelhafte Tiere in sein Bett, sie sägten einen Bettpfosten an oder streuten Holzsplitter in seine Laken, oder sie verkleideten sich als Dämonen … Ihnen war stets etwas Neues eingefallen, und oft war er so aus tiefstem Schlaf in den größten Schrecken gerissen worden, bis er sich kaum noch einzuschlafen traute. Bis heute gönnte er sich Nacht für Nacht nicht mehr als fünf Stunden Schlaf. In der übrigen Zeit arbeitete er, umringt von einem Dutzend Kerzen, bis die Müdigkeit ihn übermannte und er dem Körper das Minimum an Erholung gönnte. Unentbehrlich zu
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