Der Schwarze Papst
sein, das war sein Ziel gewesen von dem Moment an, als er in den Vatikan gekommen war. Ein unentbehrlicher Schreiber, ein unentbehrlicher Sekretär, ein unentbehrlicher Kammerherr für Julius, dessen Vergnügungen er organisierte, die Geldmittel
beschaffte und die Drecksarbeit erledigte. Was klebte nicht schon alles an seinen, Massas, Händen: Hurengeld, erpresstes Geld, Bestechungsgeld, Blutgeld … Ja, Blutgeld. Nicht jedoch Blut. Massa hatte töten lassen, nie selbst getötet. Das wäre neu.
Was Massa Angst machte, war die Ausführung der Tat. Bei Milo hatte er es mit einem Mann zu tun, der sich auskannte im Metier des Tötens, so wie ein Organist sich auskennt im Metier des Orgelspielens. Wer seine Klaviatur derart beherrschte, war in der Lage, feinste Schwingungen und falsche Töne wahrzunehmen. Anzeichen von Nervosität, Furcht und jedes auch nur geringfügig veränderte Verhalten Massas würden umgehend zu Misstrauen und erhöhter Wachsamkeit bei Milo führen, und Massa kannte sich zu gut, um zu glauben, er könne Milo auch nur kurz hinters Licht führen. Die Tat würde darum schnell und aus dem Hinterhalt erfolgen müssen. Und wenn möglich noch heute.
»Sandro!«
Milo hörte Antonias Warnruf und im nächsten Moment die Steine, die auf dem Boden aufschlugen. Wie wenig spektakulär es klang! Ein Dutzend schwere Steine stürzten herunter, und doch war alles, was sie an Geräuschen hervorbrachten, ein dumpfes Pochen. Das Gras und die bröselige Erde machten aus diesem gewaltsamen Tod ein gedämpftes, beinahe stilles Ereignis.
Als Milo sich umdrehte, lag Sandro Carissimi bereits reglos zwischen vertrockneten Halmen. Aus seinem Haar strömte Blut, das langsam über das Ohr floss und von dort ins Gras tropfte.
Antonia kniete neben ihm.
Milo hatte sich nie überlegt, was er unmittelbar nach der erfolgreichen Tat sagen, was er tun würde. Normalerweise war
er mit seinen Opfern allein. Kein Mensch, geschweige denn seine ahnungslose Geliebte, war je dabei gewesen.
Aber was das Theaterspielen betraf, war er auch nicht schlechter als andere.
»Ein Teil der Mauer ist eingestürzt«, rief er und eilte mit großen Schritten an den Tatort. »Geht es dir gut? Bist du verletzt?«
»Die Mauer ist nicht eingestürzt, da war ein Mann«, rief Antonia.
»Du musst dich irren.«
»Ich habe ihn gesehen. Ich habe ein leises Geräusch gehört und nach oben geblickt …«
»Es ist viel zu dunkel …«
Sie schrie: »Milo, ich habe ihn gesehen. Er ist da oben.«
»Ich sehe nach.«
»Sei vorsichtig.«
Milo rannte. Die nächste Möglichkeit, auf die andere Seite der Mauer zu gelangen, war eine halbe Meile entfernt. Dort war das Bauwerk in einem ruinösen Zustand, mehr Steinhaufen als Befestigung, und Milo war gewandt genug, es im Nu zu überwinden. Lello hatte die Mauer inzwischen verlassen und rannte ihm geradewegs in die Arme.
»Milo!«
Milo presste ihm die Hand auf den Mund. »Nicht so laut, du Schwachkopf. Antonia könnte dich hören. So hoch ist die Mauer nun auch wieder nicht, und die Nacht ist still.«
Langsam löste er seine Hand wieder von Lellos Mund und wischte sie, weil Lellos Speichel daran klebte, an seiner Hose ab.
»Habe ich ihn getroffen?«, fragte Lello leise.
»Ja.«
»Da war noch eine dritte Person, eine Frau, glaube ich. Milo, du hast mir nichts von einer Frau gesagt.«
Die wimmernde Stimme dieses Schwächlings machte Milo aggressiv. Allerdings trat dieses Gefühl bei ihm immer unmittelbar nach einem Mord auf. Vor seinem ersten Mord hatte er noch geglaubt, danach trete ein Gefühl von Erleichterung ein, oder im Gegenteil, das schlechte Gewissen würde an ihm nagen. Stattdessen war er stets übellaunig, als sei er soeben bestohlen worden.
Was er jetzt tat, hatte nichts mit seiner Aggressivität zu tun. Er hätte es ohnehin getan.
Noch einmal presste er die Hand auf Lellos Mund, presste dessen ganzen Körper mit seinem eigenen gegen die Mauer und stieß ihm, ohne auszuholen, den Dolch in den Unterleib, zog ihn heraus, stieß wieder zu und achtete darauf, dass seine Hose und das Hemd nicht von Blut befleckt würden. Lello sank zwischen das kniehohe Gras. Hier würde ihn so schnell niemand finden, außer die Wildhunde, und die würden sich freuen.
Seltsam, dachte Milo. In der schwach vom aufgehenden Mond beschienenen Dunkelheit sah der Leichnam des langhaarigen, ungepflegten, mageren Lello ein bisschen so aus wie der des Christus am Kreuz.
Wieder lag Sandro neben Antonia, wie vor einer
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