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Der Schwarze Papst

Titel: Der Schwarze Papst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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aufgewühlte Seele? Ein vom Anblick eines Verbrechens kurzzeitig verwirrter Verstand? Ein müder Mensch, der auf der Suche nach etwas Trost war? Oder ein Liebender?
    Und von wem hatte sie sich küssen lassen? Von einer Erinnerung? Von einem Mann, dessen Geliebte sie einst sein wollte? Oder von einem Mann, den sie sich noch immer als Liebhaber wünschte?

    Ein einziger Kuss machte nicht vergessen, was sie gelitten hatte: die Monate des Wartens im winterlichen Rom; die Traurigkeit im Herzen, während um sie herum die Natur erwachte; das Hin und Her; die Missverständnisse; Sandros Ausflüchte. Das alles saß fest, ja, aber nicht wie Fels, nein, es saß fest wie Eis und war in der Lage zu schmelzen. Ein Sonnenstrahl war heute darauf gefallen. Nicht mehr. Nicht weniger.
    Ihr Herz schlug in einem anderen Takt, als sie Sandro beim Schlafen zusah. Doch sie wusste nicht, ob es getrieben war von Mitleid, von starker Zuneigung oder von Liebe.
    Wann weiß man so etwas?
     
    Milo steckte seinen Kopf durch den Türspalt.
    »Wieso schläft er noch? Du wolltest ihn doch wecken, Antonia.«
    »Ja, ich hatte es gerade vor.«
    »Und wieso hast du die Tür hinter dir zugemacht?«
    »Weil - ich weiß auch nicht. Ich glaube, ich bin ein bisschen aufgeregt.«
    »Weshalb?«
    »Wegen unseres Ausflugs zu diesem Lello.«
    »Du kommst nicht mit.«
    »Selbstverständlich komme ich mit.«
    »Ausgeschlossen.«
    »Milo!«
    »Ausgeschlossen.«
    »Milo! Ich will dabei sein. Es geht um meine Freundin, die umgebracht wurde. Ich will ihrem Mörder in die Augen sehen.«
    Milo sah sie an. »Wenn du das nur nicht bereust.« Er klatschte in die Hände, und Sandro wachte auf.
     
    Rom hatte am Tage Ähnlichkeit mit einer alten Frau: Es erwachte allmorgendlich mit einer gewissen Mühe, erledigte
gleichgültig das, was getan werden musste, und fiel am Nachmittag in Schlummer. Mit dem schwindenden Licht verwandelte die alte Frau sich in eine alte Hure - mit allen Wassern gewaschen und mit einer rauen Fröhlichkeit, die ebenso faszinierte wie befremdete. Man hörte Paare sich zanken und sich lieben, Burschen streiten und singen, sah Geschäftemacher in Hinterhöfe eintauchen und Dirnen daraus hervorkommen. Der Tag der Ewigen Stadt, das war die Nacht.
    Antonia, Milo und Sandro erreichten die südliche Stadtmauer, als der Horizont noch weißlich leuchtete, während Rom schon unter einer graublauen Glocke lag. Die Gegend war schwach besiedelt, hier und da ragten Baracken aus einer verdorrten Weide hervor, die auch als Müllhalde diente. Man musste aufpassen, wohin man trat - aber das musste man in Rom immer. Es gab viel Platz, es stank nicht mehr als anderswo auch, und die Grillen zirpten unermüdlich, als feierten sie ein Fest. Am Abendhimmel durchkreuzten Fledermäuse das Grau.
    Dieser Ort, dachte Antonia, war friedvoller als die von Fuhrwerken und Menschen bebenden Straßen und Plätze, zugleich jedoch auch unheimlicher. Die spezielle Stille der Natur war Antonia nicht mehr gewohnt. In der Stadt war sie nie allein, selbst wenn sie sich einsam fühlte, denn die Wände der Behausungen waren meist so dünn, dass die Geräusche der Nachbarn und die Geräusche von draußen von der Menschheit kündeten. Hier am Stadtrand, wo sogar die Baracken sich mehr und mehr entfernten und die letzten Lichter erloschen, waren sie plötzlich nur noch zu dritt auf der Welt: Antonia, Milo und Sandro. Der Müll war nichts anderes als der Dreck von gestern, und die zerfallene Südmauer war das Überbleibsel einer vorvorgestrigen Welt.
    Sie streiften an diesem Bollwerk der Antike entlang. An manchen Stellen war die baumhohe Mauer noch von beeindruckender
Festigkeit, an anderen in ruinösem Zustand, geschliffen von der Zeit und einer bewegten Geschichte voller Belagerungen.
    Milo gab den Weg vor, Sandro lief hinten und Antonia zwischen ihnen. Die Luft war heiß und feucht. Der Abend hatte keine Kühlung gebracht. In der Ferne fiel ein Vorhang aus Regen, von West nach Ost ziehend, an Rom vorbei, die Hoffnung mit sich nehmend.
    »Wir sind bald da«, sagte Milo und drehte sich um. »Da vorn kommt eine Senke, dort steht Lellos Hütte.« Er lächelte Antonia an. »Alles in Ordnung?«
    Sie erwiderte abwesend sein Lächeln. Heute war ein merkwürdiger Abend. Ihr kam es vor, als gehe sie auf einer dicken Schicht Stroh, in einer Art Nebel gefangen, und als sei die Wirklichkeit um sie herum ein bisschen unwirklich und sie, Antonia, kein Ganzes mehr. Antonias Blick war nach vorn gerichtet, auf

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