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Der Schwarze Papst

Titel: Der Schwarze Papst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Stunde. Er hatte die Augen geschlossen, sein Kopf war leicht zur Seite geneigt, und sein Mund stand ein wenig offen.
    Täuschte sie sich, oder kam ein wenig Wind auf? Sie war nicht sicher. Der Schweiß stand auf ihrer Stirn, und zugleich war ihr eiskalt. Wieder betrachtete sie Sandro, doch alles war anders. Ein kurzer Augenblick hatte die Welt auf den Kopf gestellt. Mit ihr war etwas geschehen. Erklären konnte sie das nicht. Es war, als hätten diese Steine etwas eingerissen, das sie noch von ihm trennte. Von dem Mann, der jetzt vor ihr lag.
    Antonia hob seinen blutenden Kopf leicht an, ihre Hand
färbte sich rot, aber sie hielt seinen Kopf und bettete ihn auf ein paar Halme.
    Sie beugte sich über ihn. Ihre Lippen glitten über seine unrasierte Wange, seine kurzen, glatten, schwarzen Haare, seine feuchte Stirn. Sie schmeckte plötzlich Blut, doch das machte nichts, es störte sie nicht. Sie schloss die Augen, so wie seine Augen geschlossen waren. In diesem Moment entstand etwas, das sie für immer mit ihm verbinden würde.
    Sie sagte nichts, sprach nicht. Niemand sollte sie und ihn stören, auch nicht ihre Stimme. Nichts bewegte sich.
    Er öffnete seine Augen. Als würde er spüren, was in diesem Moment das einzig Richtige ist, schwieg er. Sandro hatte immer gewusst, wie er sie beeindrucken konnte, dieser Schuft.
    »Ich habe gleich gewusst, dass du nicht tot bist. Als ich, nach oben blickend, deinen Namen rief, bist du spontan zur Seite gesprungen, und nicht ein Stein hat dich getroffen. Aber du bist gestolpert und mit dem Kopf gegen die Mauer geprallt. Manchmal bist du ein Held, und dann wieder ein Tollpatsch.«
    Antonia legte ihre Hand auf Sandros Stirn. Sie lächelten einander nicht an, weil sie wussten, wie schwer das werden würde, was noch vor ihnen lag.
     
    Milo erkannte schon von Weitem, was passiert war. Nicht nur, dass Carissimi den Anschlag überlebt hatte, sondern auch, dass Antonia ihn liebte. Es war die Art, wie sie neben ihm kniete und ihn ansah. Als Milo sich näherte, veränderte sie ihre Haltung, aber da hatte er sie bereits durchschaut. Ihre Augen bestätigten gegen ihren Willen seinen Verdacht.
    Von nun an war sie für ihn ein Mensch wie alle anderen. Er liebte sie noch immer, aber er konnte sie nicht mehr von dem Hass, den er für jeden empfand, ausnehmen. Er liebte und hasste sie.
    Natürlich ließ er sich nichts anmerken.

    »Ich habe niemanden gefunden«, sagte er. »Vermutlich war das, was du als Umriss auf der Mauer gesehen hast, eine Katze gewesen. Sogar möglich, dass die Katze den Steinschlag ausgelöst hat.«
    Antonia widersprach ihm nicht, und Carissimi war noch zu benebelt, um irgendetwas beizutragen. Milo half ihm auf die Beine und stützte ihn. Der Gedanke kam ihm, der Sache ein schnelles und überraschendes Ende zu bereiten, den Dolch zu ziehen und Carissimi vor Antonias Augen niederzustechen, und ihr es dann zu überlassen, die Braut und Mitverschworene eines Mörders zu werden oder ihrem Geliebten in den Tod nachzufolgen. Den ganzen Weg zurück über die Wiese und sogar noch in der Stadt erging er sich in derartigen Fantasien, die nur durch den Mordrausch zu erklären waren.
    Es wäre töricht gewesen, den Fantasien nachzugeben. Carissimi sollte - so hatte Massa es bestimmt - einem Unfall zum Opfer fallen, und einen so mächtigen Auftraggeber enttäuschte man besser nicht. Und was Antonia betraf: Sie würde ihn niemals zum Mann nehmen, wenn sie wüsste, was er tat. Sie war eben nicht hier inmitten des Verbrechens aufgewachsen. Römerinnen waren in dieser Hinsicht entspannter. Fast jede Frau in der Ewigen Stadt hatte einen Vater, einen Sohn oder Bruder, der in irgendeine Fehde verwickelt war. Das war nichts Besonderes. Solange nur genug Geld für die Einkäufe und die Miete und den Opferstock in der Kirche dabei heraussprang … Weil Antonia nicht eine dieser Frauen war, hatte er sich in sie verliebt und sie so nahe an sich herangelassen wie noch keinen Menschen zuvor.
    Deswegen tat es so weh, sie vielleicht zu verlieren.
    Vielleicht. Vielleicht auch nicht, wenn Carissimi stürbe …
    In Carissimis Räumen im Vatikan angekommen, war Milo müde. Müde von einem langen Tag, von einem Fehlschlag, von seinen Fantasien und davon, Antonia zu hassen. Als Antonia
sagte, sie werde noch Sandros Wunde versorgen und dann direkt in ihre Wohnung gehen, versuchte er nicht, sie umzustimmen, damit sie mit ihm im Teatro übernachtete. Obwohl ihn die Vorstellung, Antonia und Carissimi allein zu

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