Der Schwarze Papst
Erlaubnis.«
»Verflucht, wenn ich für alles auf eine Erlaubnis warten würde, wäre ich nicht besser als diese Kriecher in Kutten.«
»Aber - der Brief ist versiegelt.«
»Ich weiß ja nicht, wie es bei dir aussieht, mein Junge, aber ich bin in der Lage, einen Eichenknüppel mit bloßen Händen zu zerbrechen. Da werde ich mich von einem bisschen Wachs nicht aufhalten lassen. Machst du mit?«
Angelo setzte zu einem empörten Ausruf an, hielt dann jedoch inne und lächelte. »Worauf warten wir noch?«
Sie stürzten beide gleichzeitig auf den Brief zu und prallten mit den Köpfen zusammen, was Angelo weitaus größere Schmerzen verursachte als Forli, der Kopfschmerzen nur dann bekam, wenn er am Abend zuvor ein Fässchen Bier getrunken hatte. Erwartungsgemäß war es also er, der den Brief in die Finger bekam und das Siegel brach.
»Was steht denn drin?«, fragte Angelo.
»Immer mit der Ruhe.« Forli hatte zwar in seiner Jugend von seinem Vater das Schreiben beigebracht bekommen, und als Offizier war es nötig, Berichte verfassen und lesen zu können, aber für gewöhnlich hatte er dafür alle Zeit der Welt. Er kam nur langsam voran. Manche Wörter in diesem Brief hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht gehört, und manche Sätze waren lang wie Schlangen - und ebenso giftig.
Angelo riss ihm schließlich den Brief aus den Händen, worüber Forli insgeheim weit weniger ärgerlich war, als er tat.
»Das ist doch ganz einfach«, sagte Angelo, nachdem sein Blick wie ein Wind über das Papier gefegt war. »Doktor Pinetto hat hungrigen Ratten von dem gestrigen Abendmahl zu fressen
gegeben, und keine ist erkrankt. Er schließt aus, dass das Gift im Essen, im Wasser oder im Wein war - jedenfalls nicht in den Speisen, die er von Johannes’ Teller und Becher entnommen hat. Ferner hat er Magister Durés Arzttasche überprüft und keine verdächtigen Flüssigkeiten gefunden.«
Angelo ließ den Brief sinken, und Forli begann, im Kreis zu laufen.
»Wenn das Gift nicht im Essen war, kann Johannes es nur vor der Messe zu sich genommen haben, richtig?«
Angelo nickte. »Denn nach der Messe setzte man sich sofort an die Tafel, und dort gab es nichts anderes als das, was aufgetischt wurde.«
Forli klopfte Angelo auf die Schulter, dass es ihn beinahe zu Boden warf. »Du bist ja schon ein richtiger Ermittler.« Forli wurde nachdenklich. »Wir kommen immer wieder auf diese Stunde zurück. Wo war Johannes? Wer war bei ihm? Und worin war …?«
Forlis Fragen wurden von einem eintretenden, rangniederen Offizier unterbrochen.
»Die Untersuchung ist abgeschlossen, Hauptmann.«
»Was wurde gefunden?«
Der Offizier überreichte Forli ein Buch.
»Ist das alles? Ein Buch?«
»Das ist der einzige Gegenstand, der uns verdächtig vorkam. Wir haben das Buch in der Bibliothek gefunden. Es stand nicht mit dem Buchrücken zwischen den anderen Büchern, sondern war hinter ihnen versteckt.«
Im ersten Moment war Forli enttäuscht. Dieser Wirbel und der zu erwartende Ärger nur wegen eines Buches. Doch dann entdeckte er nach und nach das Interessante daran. Denn immerhin handelte es sich um ein Buch über Heil- und Giftpflanzen, in dem zahlreiche Zeichnungen und Beschreibungen zu finden waren. Und außerdem …
»Nur die Pflanzennamen sind auf Latein geschrieben, der Rest auf Deutsch«, sagte Forli erstaunt und reichte es Angelo weiter. »Ich bin in Trient großgeworden, ich kenne die Sprache ein wenig.«
»Hier fehlt eine Seite, Hauptmann«, sagte Angelo. »Man sieht noch ein paar Zacken im Bruch. Auf der Seite davor ist die mentha piperita beschrieben und auf der nachfolgenden Seite die mentha rotundifolia . Das bedeutet, dass auf der Seite, die herausgerissen worden ist, die mentha pulegium gezeichnet und beschrieben sein könnte - Poleiminze.«
»Da brat mir einer einen Storch«, rief Forli. Er wandte sich an den Offizier. »Wurden Hinweise gefunden, wem das Buch gehört?«
Statt des Offiziers antwortete Angelo. »Ich habe mir kürzlich den Lehrplan des Collegiums angesehen. Medizin soll auch unterrichtet werden, und der Lehrer heißt Nikolaus Königsteiner.«
Forli lächelte breit und klopfte Angelo anerkennend auf den Rücken.
»Nicht schlecht, Kleiner, gar nicht schlecht. Mach so weiter, und ich nehme dich bei meiner Polizei auf - als mein Schüler, versteht sich.«
Sandro schlief schon seit Stunden, und Antonia setzte sich auf die Bettkante, sah ihn an und suchte nach Antworten.
Wer hatte sie geküsst? Eine
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