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Der Schwarze Phoenix

Titel: Der Schwarze Phoenix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Becker
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zu gehen.«
    »Ihr Reporter seid doch alle gleich. Schließlich hält sich dein heroischer Herausgeber auch lieber aus der Schusslinie heraus und bleibt da hinten in der Droschke sitzen.« Carnegie zeigte mit seinem Daumen hinter sich. »Hoffe, ihm ist da warm genug«, fügte er sarkastisch hinzu.
    Arthur seufzte.
    »Urteile nicht zu hart über Lucien. Sein Gesundheitszustand erlaubt es ihm kaum, das Büro zu verlassen, geschweige denn um Häuser herumzuschleichen und mordlustigen Wahnsinnigen auszuweichen.«
    »Nenn mich einen Optimisten, aber ich hoffe, dass es nicht allzu schwierig wird. Vendetta hat sich noch nichtvollständig erholt, und ich bezweifle, dass er schon wieder durch das Haus streift. Jetzt lass uns gehen. Wir stehen hier mitten auf dem Präsentierteller.«
    Obwohl er versuchte, zuversichtlich zu klingen, war Carnegie auf das Äußerste angespannt. Die Begegnung im Panoptikum hatte ihn zutiefst verunsichert. In seinem Kopf spielte er immer wieder den Moment durch, als die Kreatur, in eine dunkle Wolke gehüllt, vom Wachturm aus auf ihn heruntergestoßen war. Und nun, um die Sache noch schlimmer zu machen, war er wieder einmal auf dem Weg nach Vendetta Heights. Carnegie wusste, dass er eines Tages dafür büßen würde, Jonathan dabei geholfen zu haben, dem Vampir eine Niederlage beizubringen. Aber er hatte nicht gedacht, dass er bereits wenige Monate später wieder durch die Eingangspforte des Anwesens spazieren würde. Nicht zum ersten Mal verfluchte Carnegie den Tag, an dem er Jonathan kennengelernt hatte.
    Als sie sich dem efeubewachsenen Steintor näherten, kramte Arthur in seiner schwarzen Einbrechertasche und holte das Seil mit der Eisenkralle hervor. Er ließ die Kralle durch die Luft kreisen, als Carnegie seinen Arm packte.
    »Ich glaube nicht, dass das nötig sein wird.«
    Der Wermensch drückte gegen das linke Tor, das sanft zurück schwang. Er grinste den Reporter wölfisch an.
    »Ich weiß ja, wie gerne du kletterst, aber nachdem das Mädchen das Tor für uns aufgeschlossen hat …«
    »Werden wir auch einfach an der Eingangstür klopfen?«, gab Arthur spöttisch zurück.
    »Natürlich nicht. Das machen wir hinten am Lieferanteneingang. Beeilung!«
    »Das ist Wahnsinn«, murmelte der Reporter vor sich hin.
    Um das Knirschen des Schotters auf der Auffahrt zu vermeiden, schlichen die beiden Männer vorsichtig über den Rasen. Der Brunnen vor dem Haupthaus war in orangefarbenes Licht getaucht, sodass die Statue des weinenden Kindes an seiner Spitze auch in der Dunkelheit zu sehen war. Ein einzelnes Licht brannte in einem Fenster des Turms, der auf dem Ostflügel thronte. Es leuchtete wie das Auge einer teuflischen Bestie. Carnegie erinnerte sich daran, dass er bei seinem letzten Besuch von einem Schwarm Vampirfledermäuse angegriffen worden war, und suchte ängstlich den Himmel nach Anzeichen von Bewegung ab, aber alles blieb ruhig.
    Sie schlichen sich an der Seite des Gebäudes entlang und achteten darauf, dass sie sich im Schatten der Bäume an der Grundstücksgrenze entlang bewegten.
    Der Lieferanteneingang befand sich weit von der Auffahrt entfernt außer Sichtweite am Ende einer Treppe, die zur Küche hinunterführte. Um ihn zu erreichen, mussten sie sich aus dem schützenden Schatten der Bäume lösen. Carnegie weigerte sich, zu laufen oder sich zu ducken, und marschierte erhobenen Hauptes mitten über den Rasen auf das Haus zu. Er stieg die Stufen hinab und fand sich in einem langen, finsteren Raum wieder. Arthur folgte ihm dicht auf den Fersen. Sein Gesichtsausdruck verriet, dass er lieber in derBlutspielbank eine Runde »Absturz« spielen würde, als ausgerechnet durch diese Küche zu schleichen.
    »Mister Carnegie?«
    Beide Männer fuhren zusammen, als Raquella vor ihnen wie ein Geist aus der Dunkelheit auftauchte.
    »Es tut mir leid, dass ich Sie erschreckt habe.«
    »Das ist schon in Ordnung, meine Liebe. Wir sind heute Nacht ein wenig nervös.«
    »Das verwundert mich nicht. Die Atmosphäre in diesem Haus macht die Leute nervös. Mein Vater erwartet Sie. Folgen Sie mir.«
    »Wo ist Vendetta?«
    »Er schläft in seinem Bett. Hoffe ich. Ich erwarte nicht, ihn vor morgen Nachmittag zu sehen.«
    »Ich hoffe sehr, dass du recht hast«, erwiderte Arthur inbrünstig.
    Das Dienstmädchen geleitete sie durch die Küche bis zu einer schmalen Treppe, die ins Erdgeschoss führte. Sie liefen einen langen Korridor entlang und kamen an einer Tür vorbei, die einen Spalt breit offen stand.

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