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Der Schwarze Phoenix

Titel: Der Schwarze Phoenix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Becker
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ihrer Nähe regungslos auf dem Boden. Sein Brustkorb hob und senkte sich unter seinen schwachen Atemzügen. Sie humpelten langsam zur Eingangstür des Saals, wo Lucien dazu genötigt worden war, sich aufzurichten. Er zuckte zusammen, als Skeet ihn mit dem Schwert anstupste.
    Marianne grinste, als Jonathan und Carnegie sich ihr näherten.
    »Hallo zusammen. Wundervoller Tag zum Sterben, nicht wahr?«
    Ein tiefes Brummen drang aus dem Hals des Wermenschen.
    »Hör auf mit deinen Spielchen, Marianne.«
    Die Kopfgeldjägerin bedachte ihn mit einem kühlen, verächtlichen Blick.
    »Ich mache genau das, wozu ich Lust habe. Ich kann dich auch mit meinem Bruder alleine lassen, wenn dir das lieber ist. Dann könnt ihr eure Auseinandersetzung fortsetzten. Allerdings, so wie du gerade aussiehst, wäre ich mir nicht sicher, wer von euch beiden gewinnt.«
    Sie wandte sich zu Lucien. Ihre eiskalte Gelassenheit bildete einen harten Kontrast zu seiner brodelnden Wut.
    »Andererseits, mein kleiner Bruder, wenn ich es mir recht überlege, dann geh mir besser aus den Augen. Du widerst mich an. Ich kenne dich jetzt und ich werde dich im Auge behalten. Unser Vater hat nicht mehr lange zu leben und wir werden uns danach wiedertreffen.
    »Ich kann es kaum erwarten«, erwiderte Lucien. »Ich bin gespannt, ob du um Gnade winseln wirst, so wie James es getan hat.«
    Marianne zuckte zusammen und ihr Bruder lachte. Er wollte gerade aus dem Saal humpeln, als ein breiter, behaarter Arm ihn zurückhielt.
    »Ich unterbreche nur sehr ungern diese glückliche Familienzusammenkunft«, brummte Carnegie schroff, »aber könntest du mir erklären, warum du diesen Mann einfach laufen lassen willst? Es mag ja sein, dass du Hemmungen hast, ihn zu erledigen, Marianne, aber ich würde es sehr genießen.«
    Die Kopfgeldjägerin schüttelte den Kopf.
    »Das ist eine Sache zwischen mir und meinem Bruder. Das geht dich nichts an, Wermensch. Wenn du versuchen solltest, dich einzumischen, werde ich dich aufhalten.«
    »Aber Marianne«, protestierte Jonathan, »Lucien ist durch und durch böse. Wenn du ihn jetzt laufen lässt, wird er versuchen, dich umzubringen!«
    »Ich weiß genau, was er tun wird. Und deshalb kann ich ihn aufhalten.« Marianne blickte ihm ein letztes Mal in die Augen. »Der Tag der Abrechnung wird kommen. Aber wir werden uns weder hier noch in einer finsteren Seitenstraße wiedersehen, sondern bei der Blutnachfolge, so wie es alle Ripper vor uns getan haben. Dann wirst du für den Mord an James mit deinem Leben bezahlen.«
    »Das werden wir ja sehen, Schwester«, erwiderte Lucien. Er warf ihr einen letzten giftigen Blick zu und humpelte langsam aus dem Saal.

    Während Carnegie auf das Podium kletterte, um William loszubinden, steckte Marianne ihre Armbrust in ihren Gürtel und schenkte Jonathan ein strahlendes Lächeln.
    »Sieht so aus, als wärst du gerade noch mal so mit dem Leben davon gekommen, mein Kleiner.«
    »Gerade so. Bist du enttäuscht?«, fragte er angriffslustig.
    Sie kicherte vergnügt.
    »Vielleicht ein wenig. Aber immerhin habe ich dir das Leben gerettet.«
    »Ja …« Jonathan hielt inne und war sich nicht sicher, was er sagen sollte. »Ähm … ich sollte mich wohl bei dir bedanken.«
    »Gern geschehen. Und sieh zu, dass du deine Rippen so schnell wie möglich verbunden kriegst.«
    Die Kopfgeldjägerin wandte sich zum Gehen.
    »Oh, Marianne? Könntest du mir einen Gefallen tun?«
    »Einen Gefallen? Vielleicht.«
    »Ich habe gerade einen Kampf mit einem schwarzen Phönix überlebt. Meinst du, dass du aufhören könntest, mich ›mein Kleiner‹ zu nennen?«
    Sie lächelte geheimnisvoll und verschwand mit wehendem Mantel.
    Es war ein ziemlich mitgenommener und zerschrammter Haufen, der mit schmutzigen und blutverschmierten Gesichtern durch die Gänge des Kain-Clubs stolperte. Jonathan lief leicht gekrümmt und hielt sich die Rippen. Arthur ging mit glasigem Blick neben ihm her und war, abgesehen von einer beachtlichen Beule auf der Stirn, unverletzt. Hinter ihnen stützte sich Carnegie auf Harry, während er sich humpelnd fortbewegte. Sein rechter Arm hing schlaff herunter. Angeführt wurde die Gruppe von William Joubert. Seine Kleidung war zerrissen, und sein Körper war mit Prellungen und Schnitten übersät, aber trotzdem schritt er erhobenen Hauptes durch die Haupthalle hinaus in die frühe Morgensonne.
    Nach den schrecklichen Dingen, die sie drinnen erlebt hatten, war es nahezu ein Segen, ins Freie und in den zweifelhaften

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