Der Schwarze Phoenix
Jonathan.
»Ich habe dich verfolgt, seit du das erste Mal im Büro des ›Kuriers‹ warst. Als du heute Morgen so überstürzt aufgebrochen bist, wusste ich, dass es um etwas Wichtiges gehen musste, und bin dir nachgeschlichen.«
»Du hast auch den Übergang in Heath durchquert?«
»Ja. Ich bin noch nie in Lightside gewesen. Dieser Ort ist verrückt! All diese Autos, die hier herumflitzen, und kein einziges Pferd ist zu sehen …«
»Vergiss Lightside!«, schrie Jonathan verärgert. »Wir dachten, dass du der Mörder bist! Du hast uns überallhin verfolgt und gegen uns gekämpft und jetzttauchst du hier auf und rettest mein Leben! Was soll das alles?«
Das amüsierte Grinsen verschwand aus Harrys Gesicht.
»Ähm. Nun, das ist eine längere Geschichte. Ich erzähl sie dir, wenn wir Zeit dafür haben.«
Sol stöhnte ängstlich auf und versuchte, sich aufzurichten. Harry deutete mit dem Finger auf ihn.
»Was ist mit dem Opa los?«
»Er ist auch ein Darksider«, erwiderte Jonathan. »Obwohl es so aussieht, als würde er sich in diesem Moment wünschen, keiner zu sein.«
Der Kunsthändler fasste sich mit der Hand an den Kopf.
»Bitte verschwindet«, stöhnte er schwach. »Nehmt, was immer ihr wollt, aber bitte verschwindet einfach.«
»Ich will nichts mitnehmen«, entgegnete Jonathan bestimmt. »Ich möchte mir nur die Bilder von Edwin Furchtlos ansehen. Danach gehen wir.«
Er ging zu der halb geöffneten Kiste und spähte durch den Spalt hinein. Innen befanden sich fünf Gemälde zwischen dicken Lagen Verpackungsmaterial. Eines von ihnen musste der Schlüssel zu dem Geheimnis sein. Er spürte, wie sein Herz schneller schlug.
»Und das alles wegen Edwin?«, rief Sol ihm zu. »Was hat er angestellt?«
»Das versuche ich gerade rauszufinden. Er wurde letzte Woche ermordet«, keuchte Jonathan, während er erfolglos versuchte, den Deckel anzuheben. »Das Ding rührt sich nicht. Hilf mir mal, Harry!«
Die beiden Jungen rangen mit dem Deckel, als ein Poltern sie davor warnte, dass Ärger auf sie zukam. Correlli war wieder auf den Beinen und wich mit wirrem Blick vor ihnen zurück. Er stützte sich auf eine Kiste und deutete mit einem zitternden Finger auf Jonathan und Harry.
»Das wird euch noch leidtun. Kinder sollten sich nicht in die Angelegenheiten von Erwachsenen einmischen. Ihr werdet euch die Finger verbrennen«, fauchte er. Er zog eine Fackel aus seinem Gürtel und entzündete sie mit der geschmeidigen Bewegung, die er so oft geübt hatte, dass er sie sowohl im Schlaf als auch nach einem kräftigen Schlag auf den Kopf beherrschte.
»
NEIN
!«, schrie Jonathan, aber es war zu spät. Corelli hielt die Fackel vor seinen Mund und spuckte eine Flamme quer durch den Raum.
Die Kisten um sie herum brannten sofort wie Zunder. Der Feuerschlucker lächelte zufrieden. Sol rannte kreischend zum Ausgang. Harry stürzte sich auf Correlli und stieß den kräftigen Mann mit der Schulter vor die Brust. Correlli war immer noch benommen und fiel rückwärts gegen einen Stapel Kisten. Dabei ließ er die Fackel fallen, die zur Seite rollte und ein weiteres Feuer auf der anderen Seite des Raums entzündete.
»Komm schon!«, rief Harry und winkte Jonathan. »Wir müssen hier raus!«
Ohne nachzudenken, hörte Jonathan auf den älteren Jungen, sie rannten an dem Feuerschlucker vorbei in die Galerie und brachten sich in Sicherheit. Als sie denhalben Weg durch den Raum mit den Skulpturen zurückgelegt hatten, konnte Jonathan wieder einen klaren Gedanken fassen und blieb abrupt stehen.
»Wir müssen zurück!«
»Bist du verrückt?«, rief Harry. »Die Bude wird abbrennen!«
»Wir müssen Edwins Bilder holen! Nur so können wir erfahren, was meine Mutter rausgefunden hat!«
Harry deutete auf den Rauch, der unter der Lagertür hervorquoll.
»Das wäre Selbstmord!«
Aber es war zu spät. Jonathan war schon verschwunden.
Die Flammen fraßen sich bereits durch den hinteren Teil des Lagers und die Hitze schlug ihm ins Gesicht. Corelli war nirgends zu sehen. Jonathan duckte sich, hielt sich zum Schutz vor dem Rauch ein Taschentuch vor den Mund und rannte zu der Kiste mit Edwins Bildern. Zu seiner Bestürzung musste er feststellen, dass die meisten Bilder bereits Feuer gefangen hatten. Lediglich das vorderste Bild, das zwischen zwei schwelenden Lagen Verpackungsmaterial steckte, sah so aus, als könnte es noch gerettet werden. Jonathan zog sich die Ärmel über die Hände, packte das Bild und zog es vorsichtig heraus. Die
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