Der Schwarze Phoenix
anderen Bilder brannten noch stärker, und so musste er hoffen, dass dieses das richtigewar. Er klemmte es unter den Arm, wandte sich um und wollte den Raum verlassen.
Eine Hand schlängelte sich über den Boden und packte Jonathan am Knöchel. Correlli lag flach auf dem Bauch zwischen den Kisten und lauerte wie ein Raubtier. Sein Zähnefletschen war durch den Rauch deutlich zu erkennen. Jonathan schrie auf und schlug den Feuerschlucker instinktiv mit dem Bild ins Gesicht. Correlli stöhnte auf, als ihn die Ecke des Rahmens traf, ließ ihn aber nicht los. Jonathan spürte, wie der Rauch in seine Lungen drang und ihm das Atmen immer schwerer fiel. Er versuchte, seinen Fuß aus der Umklammerung zu befreien, aber der Feuerschlucker war unglaublich stark.
»Lassen Sie mich los!«, rief er hustend. »Lassen Sie los oder wir werden beide sterben!«
Correlli antwortete nicht, sondern packte Jonathans Knöchel noch fester. Der Junge sah sich nach etwas um, das er als Waffe benutzen konnte. Er beugte sich zum nächstgelegenen Kistenstapel und stemmte sich gegen die oberste Kiste. Sie war unglaublich schwer und der Rauch und die Hitze erschwerten die Sache noch zusätzlich. Eines war ihm klar: Wenn er die Kiste nicht bewegen konnte, dann würde er sterben. Jonathan spannte die Muskeln an, verdoppelte seine Anstrengungen und wurde dadurch belohnt, dass die Kiste langsam an die Kante des Stapels rutschte. Dann stürzte sie krachend auf Correlli herab, der vor Schmerz aufschrie. Der Feuerschlucker lockerte seinen Griff und Jonathan war frei.
Er stolperte zum Ausgang. Tränen liefen ihm das Gesicht hinunter, und seine Haut fühlte sich an, als würde sie schmelzen. Er stürzte durch die Tür in die Galerie und brach hustend zusammen. Harry fluchte und zerrte ihn aus dem Laden hinaus an die frische Luft.
Draußen auf dem Bürgersteig beugte Jonathan sich vornüber und versuchte, zu Atem zu kommen. Passanten starrten die beiden verwirrt an. Noch war das Feuer im Inneren der Galerie gefangen, aber es würde nicht lange dauern, bis die goldenen Buchstaben an der Hausfront zu unförmigen Klumpen schmelzen würden.
»Setz dich einen Moment hin«, drängte ihn Harry.
Jonathan schüttelte den Kopf.
»Dafür haben wir keine Zeit. Wir müssen verschwinden. Die Feuerwehr wird jeden Moment anrücken.«
Harry nickte in Richtung der Galerie.
»Was ist mit dem anderen Typen? Ist er noch da drin?«
»Ich glaube schon. Ich will nicht mehr hier sein, wenn er rauskommt. Lass uns gehen.«
Immer noch hustend, führte er Harry die Straße entlang, als in weiter Entfernung die ersten Sirenen ertönten.
Falls Alain Starling überrascht gewesen sein sollte, seinen Sohn plötzlich mit rußverschmiertem Gesicht in Begleitung eines seltsam gekleideten Jungen vor seiner Tür auftauchen zu sehen, verbarg er es gut.
»Hallo. Ich hatte so ein Gefühl, dass es nicht lange dauern würde, bis ich dich wiedersehe. Alles in Ordnung?«
Jonathan nickte.
»Ja, mir geht es gut. Du musst dir zumindest keine Sorgen machen, dass ich angefangen habe zu rauchen. Können wir reinkommen?«
Sie untersuchten das Bild in Ruhe in der Küche. In Anbetracht der Tatsache, dass er sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte, um das Bild zu retten, war Jonathan von seiner Beute etwas enttäuscht. Da das Bild jahrelang versteckt worden war, verbarg nun eine dicke Schmutzschicht das, was ursprünglich einmal auf die Leinwand gepinselt worden war.
Alain befeuchtete seinen Daumen und rieb vorsichtig an einer Ecke.
»Ich glaube, das kriege ich wieder ab«, bemerkte er. »Du gehst nach oben und wäschst dich, währenddessen reinige ich das hier.«
»Mach dir deswegen keine Sorgen. Ich helfe dir.«
Alain warf ihm einen strengen Blick zu.
»Nein, das wirst du nicht. Du tust, was ich dir sage. Los, ab ins Badezimmer.«
Es schien ihm jetzt nicht der richtige Zeitpunkt zu sein, um eine Badepause einzulegen, aber ihm blieb nichts anderes übrig. Widerstrebend schlurfte Jonathannach oben und fühlte sich dabei so klein wie schon lange nicht mehr. Als er sauber und in frischer Kleidung zurückkam, saßen Alain und Harry im Wohnzimmer. Das Gemälde stand auf dem Tisch und war mit einem Tuch verhüllt.
»Du hast dir aber ziemlich viel Zeit gelassen«, beschwerte sich Harry. »Dein Vater wollte es mir nicht zeigen, bevor du wieder da bist.«
»Seid ihr bereit für die große Enthüllung?«, fragte Alain.
»Warte mal. Bevor wir uns das ansehen«, sagte Jonathan und wandte sich an
Weitere Kostenlose Bücher