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Der Schwarze Phoenix

Titel: Der Schwarze Phoenix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Becker
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näherem Hinsehen entpuppte er sich als Missgeburt. Seine Federn waren zerfleddert und schmierig und stanken nach verfaultem Fleisch. Seine Flügel waren ledrig und von dicken roten Adern durchzogen. Sein Schnabel und die Krallen hatten die Farbe von geronnener Milch und waren blutverschmiert.
    Der Phönix hob seinen Kopf und beäugte sie. Seine Augen funkelten arglistig.
    Carnegie zögerte nicht. Er zog zwei Pistolen hervor und eröffnete das Feuer. Der Raum war erfüllt vom Widerhall der Schüsse und dem Geruch des Schießpulvers. Der schwarze Phönix kreischte wütend und schlang seine Flügel um seinen Körper. Carnegie hörte erst auf zu feuern, als er seine Magazine leer geschossen hatte. Als der letzte Schuss verhallt war, sah Jonathan, dass die Kugeln vor den Klauen des Phönix über den Boden verstreut lagen. Die Kreatur breitete ihre Schwingen aus und krächzte zufrieden.
    Carnegie wandte sich an Jonathan.
    »Einen Versuch war es wert«, knurrte er entschuldigend.
    »Was sollen wir jetzt tun?«
    Der Wermensch zuckte mit den Schultern.
    »Was können wir machen? Hast du was Besseres als Kugeln dabei? Ich hab dir gesagt, dass du nicht mitkommen sollst, Junge. Weißt du eigentlich, dass du wirklich ein lästiger kleiner Floh bist?«
    Jonathan verstand zu spät, dass dies Carnegies Art war, sich zu verabschieden. Bevor er ihn aufhalten konnte, preschte der Wermensch mit Gebrüll durch den Saal. Die Kreatur erhob sich in die Luft und erwartete ihn. Schwarzer Nebel bildete sich unter ihren schlagenden Flügeln. Jonathan gefror das Blut in den Adern.
    Nachdem er den Phönix nicht mit Pistolen aufhalten konnte, griff Carnegie ihn auf die Art an, die er am besten beherrschte: aus nächster Nähe, mit Fäusten und Klauen. Er bewegte sich mit furchterregender Kraft und Geschwindigkeit, aber als er in den dicken Nebel eintauchte, wusste Jonathan, dass er dem Untergang geweiht war. Carnegie war ein Wesen aus Fleisch und Blut, während der Phönix eine Ausgeburt der Hölle war. Als die gequälten Schreie des Wermenschen durch den Lärm des Kampfes zu ihm drangen, wollte Jonathan seinem Freund verzweifelt zur Seite springen, aber sein Körper war starr vor Angst.
    Von der Galerie ertönte ein ohrenbetäubender Schrei, der ihn aus seiner Starre löste. Jonathan blicktenach oben und sah, wie Harry Pierce von der Balustrade aus auf einen der großen Kronleuchter zusprang, die von der Decke hingen. Die Entfernung schien zu groß, aber Harry stieg wie eine Rakete immer höher in die Luft, bis seine Hand schließlich einen Arm des Leuchters zu fassen bekam. Ein verärgertes Kreischen drang aus der Wolke, und mit einem Mal schoss der Phönix auf den Jungen zu. Harry wartete ab, bis die Kreatur ihn fast erreicht hatte, und schleuderte mit seiner freien Hand eine Flasche in die sich nähernde schwarze Wolke. Dann ließ er den Kronleuchter los und krachte auf den Steinboden.
    Jonathan erblickte Carnegies zusammengesackten Körper auf dem Podium. Seine Gliedmaßen waren verdreht und er lag in einer Blutlache. Mit letzter Kraft gelang es dem Wermenschen, eine Hand zu heben und auf eine der Fackeln zu deuten. Natürlich! Carnegie hatte Harry eine Flasche gegeben, bevor er von der Galerie gesprungen war. Das war seine Spezialmischung!
    Die schwarze Wolke verharrte kurzzeitig überrascht neben dem Kronleuchter. Jonathan fasste wieder Mut, griff sich die nächste Fackel und rannte durch den Saal. Er blieb über Harry stehen und schwenkte die Fackel. Durch die wabernde Wolke hindurch konnte er einen Blick auf den Phönix erhaschen, der vor Vorfreude kreischte und mit dem Schnabel schnappte. Dann stürzte er auf ihn zu. Jonathan schleuderte ihm die Fackel mit all seiner Kraft entgegen und warf sich schützend vor Harry.
    Ein lautes Rauschen, wie von einem Wasserfall, erklang, als der Phönix in einem Flammenmeer versank. Er schlug verzweifelt mit den Flügeln und schwarze Nebelwellen verdunkelten den Saal. Doch das Feuer brannte weiter und die Schreie des Phönix klangen immer verzweifelter. Jonathan hielt sich die Ohren zu, als die Kreatur kreischend zu Boden stürzte und regungslos liegenblieb.
    Danach herrschte Stille. Langsam verzog sich der schwarze Nebel. Das Licht eroberte den Saal zurück und schien auf die leblosen Körper, die im Saal verteilt lagen. Carnegie blutete, Harry rührte sich nicht und das Gefieder des riesigen schwarzen Vogels qualmte. Jonathan erhob sich und wankte langsam auf die Kreatur zu. Er hörte ein leises

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