Der Schwarze Phoenix
mutige Worte … zumindest am Anfang.«
Ohne nachzudenken, sprang Jonathan vom Tisch und stürzte, getrieben von einer gefährlichen Mischung aus Hass und Adrenalin, auf Lucien zu, bis eine große Pranke ihn an der Schulter packte und aufhielt.
»Was haben Sie mit meiner Mutter gemacht?«, schrie Jonathan und versuchte, frei zu kommen. »Wenn Sie ihr wehgetan haben, bringe ich Sie um!«
»Nicht jetzt, Junge«, knurrte Carnegie und vergrub seine Krallen in Jonathans Schulter. »Nicht jetzt.«
Lucien lachte höhnisch.
»Wie rührend! Erteilen Sie neuerdings Unterricht in Selbstbeherrschung, Carnegie?«
»Wenn ich dazu komme«, erwiderte der Wermensch gelassen. »Und Sie, geben Sie Sportunterricht?«
Das Lächeln auf dem Gesicht des Rippers erstarb. Er kletterte vom Podium runter und humpelte mit schmerzverzerrtem Gesicht auf Carnegie zu.
»Ich hätte mehr von Ihnen erwartet«, fauchte er. »Ich habe all diese Witze schon gehört. Meine Freunde imKain-Club nannten mich Bruder Flink, schon vergessen?« Lucien zeigte auf sein verdrehtes Bein. »Sie dachten, das wäre lustig. Natürlich würde ich es so nie zu etwas bringen. Sie behandelten mich wie eine Witzfigur, aber ich bin ein Ripper . Ich hätte sie, wann immer ich wollte, umbringen können. Aber stattdessen habe ich mir auf die Zunge gebissen und gewartet, bis meine Zeit gekommen war. Ich habe darauf gewartet, dass sie mir eines Tages nützlich sein würden. Als ich herausgefunden hatte, wer mein Bruder ist, wusste ich, dass ich an ihre Eitelkeit appellieren könnte und sie mir helfen würden. Ohne ihre Hilfe wäre ich nie nah genug an den hochverehrten James Arkel herangekommen, um ihn in eine Falle locken zu können. Und wie ich es vorausgesehen hatte, schlossen sich mir alle an. Alle außer Bruder Stahl.« Er drehte sich zu dem gefesselten William um. »Was ist das für ein Gefühl, wieder im Kain-Club zu sein? Waren die letzten Jahre ein Vergnügen für dich, alter Freund? Ich habe es so genossen, deine erbärmlichen Versuche zu vereiteln, dein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Es hat sich als so viel befriedigender erwiesen, als dich einfach umzubringen.«
William hob entkräftet den Kopf und spuckte Blut auf das Podium.
»Ich war glücklich«, wisperte er. »Ich hatte meine Frau und meine Kinder … aber das wirst du nie verstehen.«
»Nun, in meiner Familie laufen die Dinge etwas anders als in jeder anderen. Nicholas und der Rest der Gentlemen wussten das und haben versucht, darausKapital zu schlagen. Sie dachten immer noch, ich wäre schwach. Wie du siehst, haben sie sich geirrt. Das ist dieselbe Lektion, die ich James erteilt habe.«
»Sie?«, keifte Carnegie verächtlich. »Sie machen gar nichts, Sie Krüppel. Sie stehen daneben und sehen zu, wie Ihre Kreatur die Drecksarbeit für Sie erledigt.«
Lucien starrte ihn hasserfüllt an.
»Halt dein dreckiges Maul. Was weißt du denn schon über die Ripper?«
»Genug um zu wissen, dass James Sie zu Brei geschlagen hätte, wenn Sie ihm wie ein Mann gegenübergetreten wären. Ich bin erstaunt, dass Sie den Mut hatten, ihn anzugreifen, als er wach war.«
»Ihm wie ein Mann gegenübertreten?« Der Ripper brach in schallendes Gelächter aus. »Und warum um Darksides willen sollte ich das tun? Ich habe einen schwarzen Phönix, eine Kreatur, geboren durch das Böse und von Finsternis getragen. Warum also sollte ich mich wie ein Mann verhalten?«
Plötzlich erklang das schreckliche Kreischen aus dem Panoptikum. Carnegie wirbelte herum.
»Woher kommt das?«, schrie er über den Lärm hinweg.
Jonathan zupfte den Wermenschen am Ärmel. Sein Gesicht war kreidebleich und er wimmerte leise.
Das Kreischen erklang aus Luciens Hals.
»Oh mein Gott«, keuchte Carnegie.
Lucien hatte den Kopf in den Nacken gelegt und seine Augen waren fest geschlossen. Während sie ihn anstarrten, begann sein Körper zu zucken und sich zuwinden wie eine wild gewordene Marionette. Der Brustkorb des Rippers bebte, und Jonathan sah mit Grauen, wie seine Rippen nach außen gedrückt wurden. Lucien schrie vor Schmerzen. Seine Schreie klangen erstaunlich menschlich. Dann sank er auf die Knie. Seine Haut verdunkelte sich und warf Blasen, als er seine Gestalt änderte. Der Mensch war verschwunden und an seine Stelle war die Kreatur getreten.
Auf den ersten Blick hätte man den schwarzen Phönix fälschlicherweise für einen majestätischen Vogel halten können. Eine riesige geschmeidige Kreatur mit pechschwarzen Federn. Aber bei
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