Der schwarze Prinz
herum tobenden Kampf aufgehoben war. Wenn das der Fall war, belog er sie gerade ganz absichtlich, um sie zu manipulieren ... um ihre Position und damit auch ihre Standhaftigkeit zu erschüttern ... um sie leichter besiegen zu können.
Für einige Herzschläge lang war sie hin- und hergerissen - doch dann stellte sie fest, dass es keinen Unterschied machte ... dass nichts von dem, was er erzählt hatte, einen Unterschied machte. Was auch immer der Grund sein mochte, welches auch immer die
Motive waren: Laurin und Oegis führten gerade einen brutalen Vernichtungskrieg gegen Elbenthal ... und auch wenn vielleicht Laurins einziges Ziel war, sich bis zu dem Tor hindurchzukämpfen, um zurück in die Heimat zu gelangen, so war das Ziel des Drachen der Ring und der Traum, die Menschheit zu unterwerfen und über sie zu herrschen.
Oegis tötete aus Gier heraus ... und vielleicht auch aus Rache.
Beides waren Motive, die Svenya nicht akzeptieren konnte ... die nichts von der Zerstörung rechtfertigten, die er anrichtete ... die ihm nicht das Recht dazu gaben, auch nur ein einziges unschuldiges Leben zu gefährden. Diese Gefährdung war keine abstrakte, keine, die in einer möglichen Zukunft lag, die man noch nicht verurteilen konnte, sondern eine tatsächliche, die abgewendet werden musste. Er musste aufgehalten werden. Nicht nur der Kinder zuliebe. Und wenn er nur durch seinen eigenen Tod zu stoppen war, dann musste Svenya diesen Schritt gehen und ihn töten.
Jetzt waren sie auf der Plattform angelangt.
Svenya begann, mental ihren Schwebezauber zu inkantieren - sie musste sich dazu mittlerweile jedes Mal ein Stück weniger konzentrieren. Es fühlte sich mehr und mehr an, als sei er - wie ihre Rüstung, ihr zweites Aussehen, der Panzer und ihre Tarnung - ein Teil von ihr geworden.
Ki-za Me-Lam
Su-ub nag ama-argi
Zig sur si-i-tum.
Ich verneige mich vor der Kraft, die ist und immer war,
Nehme sie in mich auf und trinke aus ihr die Freiheit,
Mich zu erheben und die Schwere hinter mir zu lassen.
Sie rechnete fest damit, dass sie gleich, sobald sie über den Rand der Plattform hinwegtreten würde, wie bei ihrer Flucht aus Aarhain in die Tiefe fiel. Doch Elbenthal war um so vieles höher als die Frontmauer Aarhains, und sie konnte nur hoffen, dass der Schwebezauber auch das kompensierte.
»Ich möchte, dass du etwas weißt, Oegis«, sagte sie ruhig und schaute ihm direkt in seine funkelnden Drachenaugen. »Die Vergangenheit mag uns helfen, die Dinge besser zu verstehen - aber nicht, sie zu beurteilen. Kein Unrecht von früher kann und darf ein Unrecht von heute rechtfertigen.«
»Aber Alberich hat...«
»Es spielt gar keine Rolle, was Alberich hat«, unterbrach sie ihn harsch. »Es geht um dich - deine Entscheidungen ... deine Taten. Als Laurin dich vorhin befreit hat, hattest du eine Wahl. Du hattest die Wahl, friedlich und ohne jeden Schaden anzurichten von hier fortzuziehen ... zu irgendeinem abgelegenen Winkel dieser Welt, um dort in Frieden und im Einklang mit uns allen zu leben. Du hattest die Wahl, nicht zu töten und den Ring hinter dir zu lassen ... den Ring und deine Rache ... deine Rache und den Traum, die Welt zu unterwerfen und zu beherrschen. Aber du hast dich dagegen entschieden. Genauer gesagt hast du es nicht einmal in Erwägung gezogen, sei ehrlich.«
»Nicht eine Sekunde lang«, räumte der Drache ein.
»Und deshalb muss ich dich jetzt töten«, sagte sie. »Verstehst du das?«
»Ich verstehe, dass du glaubst, es zu müssen«, gab er zurück und begann erneut zu schmunzeln. »Was ich nicht verstehe, ist, wieso du auch glaubst, es zu können.«
Genug der Worte, entschied Svenya in Gedanken und packte den Speer an ihrem Gürtel mit einer schnellen Bewegung - sicher, ihn damit zu provozieren.
Sie lag richtig. Mit einem gewaltigen Schrei stürzte er sich auf sie - wohl im festen Glauben, sie in die Enge getrieben zu haben.
Svenya stieß sich vom Boden ab und machte einen weiten Salto rückwärts, weg vom Rand der Plattform, über der die riesigen Kiefer des Drachen jetzt dort zuschnappten, wo sie gerade noch gestanden hatte. Im Fallen sah sie, wie er vor Wut aufbrüllte und sich gleich darauf hinter ihr in den Sturzflug katapultierte.
Er legte die Flügel an und reckte den Kopf weit vor, um an Geschwindigkeit zu gewinnen und Svenya zu erreichen. Doch sie war sehr viel kleiner als er, bot weniger Luftwiderstand und fiel schneller, als er stürzen konnte. Oegis holte Luft und spie ihr
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