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Der schwarze Prinz

Titel: Der schwarze Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Netty
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der Klippe sprang. Das tiefe Einatmen war mehr ein Akt des Verinnerlichens dieses einzigartigen Moments, denn Svenya brauchte unter Wasser keine Luft. Dort konnte sie sich dank ihrer Natur, ganz ohne zu atmen, frei bewegen. Mit rasender Geschwindigkeit näherte sie sich im Sturzflug der Wasseroberfläche und durchstieß sie schließlich wie ein von der Armbrust geschossener Bolzen.
    Tiefer und tiefer tauchte Svenya mit dem Schwung ihres Sprunges, und als der Klang des Eintauchens verhallt war, wurde ihr bewusst, wie viel stiller noch als oben schon es hier unten war. Sie kurvte in eine Route parallel zur Wasseroberfläche und begann zu schwimmen. Das Wasser war trüb, und dennoch behinderte es nicht ihre Sicht, so als hätte sie noch ganz andere Sinne, die die Wahrnehmung ihrer Augen ergänzten und zu deutlichen Bildern formten. Sie sah die Vielfalt an Fischen und Krebsen und Quallen und Algen und war ganz gebannt von der Masse und Fülle des Lebens hier unten. Noch erstaunlicher aber war, dass keines der Tiere vor ihr zurückschreckte, ganz so, als sei sie weder Eindringling noch Gefahr. So, als gehörte sie einfach hierher - und genau so fühlte sie sich.Es fiel Svenya nicht schwer, sich auch ganz ohne Sterne zu orientieren. Sie wusste einfach, dass sie auf dem richtigen Kurs war. Nur noch wenige Meilen trennten sie von der versunkenen Stadt.
    Meilen, die sie bei ihrem immer größer werdenden Tempo in wenigen Minuten zurücklegen würde.
    Eine Schule von mehr als zwei Dutzend Schweinswalen entdeckte sie und fühlte sich offenbar durch ihre hohe Geschwindigkeit zu einem Wettschwimmen animiert. Die Tiere waren in etwa so groß wie sie und delfinartig, nur mit stumpfer Schnauze, die so geformt war, als würden sie beständig lächeln. Sie schwammen an ihre Seiten und durchbrachen die Stille, indem sie anfingen, in verspielten Klick-und Pfeiftönen zu singen. Fast hatte Svenya das Gefühl, die schnellen Schwimmer verstehen zu können, wenn sie sich nur die Zeit nehmen würde, länger zuzuhören. Doch diese Zeit hatte sie nicht, und sie musste außerdem an die Ranen denken, vor denen Alberich sie gewarnt hatte. Sie konnte nicht zulassen, dass die niedlichen Tiere Aufmerksamkeit erregten und den Töchtern Rans ihre Ankunft verrieten. Daher steigerte sie das Tempo und hängte die Wale eilig ab.
    Plötzlich huschte ihr ein gewaltiger Schatten in den Weg, und Svenya erschrak bis ins Mark. Die Größe des Schattens erinnerte sie stark an ihre Begegnung mit dem mordlüsternen Leviathan. Gab es welche wie ihn auch hier in der Ostsee? Vielleicht sogar Mitglieder seiner Familie, die auf Rache sannen? Augenblicklich hatte sie ihren Speer in der Hand und die Richtung gewechselt - hinter einen riesigen Busch dicht an dicht wachsender Algen. Sie spähte nach vorne und sah, wie der Schatten, der sich auf sie zubewegte, allmählich genauere Formen annahm.
    Wenige beschleunigte Herzschläge später atmete sie erleichtert aus - das heißt, sie hätte erleichtert ausgeatmet, wenn sie überhaupt geatmet hätte, aber es fühlte sich so an wie ausatmen ... und auf jeden Fall erleichtert. Die Kreatur vor ihr war nur ein Hai. Genauer gesagt, ein Riesenhai, beinahe zwölf Meter lang. Trotz oder vielleicht auch wegen seiner gewaltigen Größe bewegte das braunschwarze Ungetüm sich behäbig durch das Wasser - das enorme zahnlose Maul, in dem Svenya gut hätte aufrecht stehen können, weit aufgerissen, um damit Plankton zu fangen.
    So ungefährlich das Tier auch war, hatte es Svenya dennoch daran erinnert, dass es an der Zeit war, ihre Tarnung zu aktivieren. Sie berührte das Drachenemblem auf ihrem Handrücken und schwamm unsichtbar von hinter dem Algengestrüpp hervor.
    Das war der Moment, in dem sie die Glocken hörte.

TEIL 2

     

VINETA
     

9
Vineta
    Glockenschläge unter Wasser! Das an sich schon war das Merkwürdigste und Gespenstischste, das Svenya jemals gehört hatte - abgesehen vielleicht von dem Geheul eines Wolfes mitten in Dresden, in jener Nacht vor noch gar nicht allzu langer Zeit, als sie noch nichts wusste von ihrer zweiten, übermenschlichen Natur und der Existenz von Elbenthal in den gewaltigen Höhlen unter der Stadt. Das Geräusch war anders, als sie es von Kirchenglocken kannte, dumpfer, nicht so melodisch ... rauer. So als wäre das Material, aus dem die Glocken gefertigt waren, auf eine Weise unreiner, spröder und auch dicker. Ihr Klang, der sehr viel weniger sakraler als vielmehr alarmierender Natur war, kam aus

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