Der schwarze Prinz
Mal. »Und dann wäre da noch Yrr...«
»Was ist mit ihr?«, fragte Svenya sofort.
»Auch sie ist verschwunden.«
»Wann? Wohin?«, fragte Hagen und fuhr auf seinem Sitz zu Raik herum.
»Sie war schon die ganze Zeit so seltsam - seit Vineta«, sagte Raik.
»Was meinst du mit seltsam?«, knurrte Hagen.
»Schwer zu sagen«, gestand Raik. »Still. Kühl.«
»Das klingt nach einer ganz normalen Yrr«, meinte Svenya.
»Nein. Stiller und kühler als sonst. Total in sich gekehrt und abwesend. Grüblerisch.«
»Hatte das vielleicht etwas mit eurer Liebelei zu tun?«, fragte Hagen unverblümt.
»Äh...« Raik stockte überrumpelt. »Liebelei? Welche Liebelei? Ich verstehe nicht...«
»Hagen will wissen, ob sie nur dir gegenüber so war«, schaltete Svenya sich ein.
Raik atmete erleichtert aus. »Nein. Ihr Verhalten beschränkte sich nicht auf mich. Es war, als würde sie durch die Burg schlafwandeln, und kaum kam Euer Notruf, war sie plötzlich wie vom Erdboden verschluckt.«
»Einfach weg?«
»Ohne sich abzumelden oder ohne dass jemand von den Wachen gesehen hat, wie sie die Festung verließ.«
»Verdammt!«, fluchte Hagen - und jetzt wehrte er sich nicht, als Svenya ihm von hinten die Hand auf die Schulter legte.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte sie. »Wir werden sie finden. Wir werden beide finden.«
Svenya wünschte, sie selbst würde die Zuversicht spüren, die sie versuchte, ihm zu geben. Doch in ihrem Bauch und ihrem Herzen war gerade nichts anderes als Angst. Angst um ihre Freunde und deren Leben.
Und Angst davor, dass der bevorstehende Krieg - wie alle Kriege der Weltgeschichte - mehr zerstören würde als retten.
49
Elbenthal
Die Mobilmachung war total. Hagen setzte alles auf eine Karte. Während sie ihre Ausrüstung zusammenstellte, sah Svenya von ihrem Balkon aus, wie die schwere Artillerie durch das Haupttor hinausquoll - wie flüssige Lava am Hang eines Vulkans. Da waren Panzer und Kanonenwagen, fahrbare Raketenwerfer und Gefährte, die so magisch anmuteten wie das goldene Schiff und wohl auch ähnlich bewaffnet waren. Durch die beiden flankierenden Tore strömte die Infanterie - beinahe dreitausend Elbenkrieger zu Fuß ... bewaffnet mit schweren Maschinenpistolen, Lanzen und Schwertern. An den Spitzen und den Enden der beiden Kolonnen marschierten die Bogenschützen und die Einheiten mit den mobilen Maschinengewehren. In dreien der Innenhöfe sammelte sich die leichte Kavallerie, in zwei anderen die schwere. Die Rüstungen der Elbenritter funkelten im Licht der Leuchtjuwelen und Fackeln. Auch die Fleymyska-vallerie befand sich bereits in der Luft und umschwirrte die Festung in Warteposition wie ein Schwarm hungriger Bienen den Stock.
Bei der Vorstellung, dass sie all das hätte verhindern können, indem sie LaüLey getötet und Laurin nie von den Schwertern des Schicksals und Hel erfahren hätte, drehte sich Svenya der Magen um - doch, gleich von welcher Seite aus sie es betrachtete, sie würde die Entscheidung immer und immer wieder ganz genau so fällen. Andererseits aber konnte und wollte sie nicht verantworten, dass andere, dass so viele die Konsequenzen ihres Handelns tragen sollten. Das war genauso falsch. Sie hatte versucht, Hagen das zu sagen, doch er hatte kein Ohr mehr für sie. All sein Tun war nun nur noch auf einen Punkt fixiert: Laurin und Aarhain endgültig zu vernichten, um das letzte der Fünf Schwerter des Schicksals zurückzuholen, ehe Hel es in ihre Hände bekommen würde. Aber hinter seinem barschen und sturen Verhalten verbarg sich mehr als das: Wie Svenya ihn kannte, machte wahrscheinlich er als Mentor sich selbst verantwortlich für das, was er Svenya als Fehler vorwarf, und sah sich in der Pflicht, wiedergutzumachen, was sie angerichtet hatte. Die Überheblichkeit, die sie hinter diesem Gedankengang erkannte, machte Svenya nur noch wütender...... und war das letzte Zünglein an der Waage einer rationalen Entscheidung, die Bauch und Herz bereits im Hubschrauber gefällt hatten.
Sie befestigte Skalliklyija und den Doppelspeer Hagens, die Raik ihr aus Vineta zurückgebracht hatte, an ihrem Gurt und rief: »Loga!«
Der Gargoyle erschien so unvermittelt an ihrer Seite, als hätte er dort unsichtbar darauf gewartet, sich zu zeigen. »Gebieterin?«
Svenya sah, wie unter ihr nun auch die Kavallerieeinheiten aus den Toren strömten.
»Sag, Loga, wie schnell bist du wirklich?«
50
Svenya überprüfte noch einmal geschwind ihre Ausrüstung, und als sie sicher war, alles
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