Der schwarze Regen
wütenden Don Mulas, der Tonino Orsetto ein perverses Tier nennt, einen gottverdammten Sünder, weil er während der Beichte von der Liebe des Jungen zu seinem Vetter erfahren hatte. Wer bist du?, fragt sich Alberto Sannìo und starrt seinen Pfarrer an, Wer bist du, fetter Mann, der du mich mit einer Träne verabschiedest?
Er sagt nichts, Alberto Sannìo, niemand sagt etwas, morgen reist der junge Mann ins Heilige Land, er wird als besserer Mensch zurückkommen, eine Reise der Buße und des Nachdenkens, Bischof und Pfarrer sind sich einig, dass sie ihm gut tun wird, dass er sie vergessen wird, dass jeder mal einen Fehler macht, aber er ist so tüchtig, zungenfertig eifrig, der geborene Prediger, fleißig aufmerksam, er wird darüber hinwegkommen, Fahr und amüsier dich, denkt der fette Priester, Und vergiss die Fußballträume und die Geliebten des Dorfes und deine Jugend, die vorbei ist, jetzt beginnt der Ernst des Lebens, tu alles, damit er so wenig unangenehm wie möglich wird.
Er sagt nichts, Don Mulas, niemand sagt etwas, Pater Alberto hängt noch immer seinen Gedanken nach, erinnert sich an die Worte des Herrn über die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich, und die Seligen und Don Abbondio, die keine Geliebten und keine Sünden zu büßen, keine Lehrerinnen zu verlassen und keine quälenden Gedanken haben, die sie nicht schlafen lassen, Was soll’s, denkt er, morgen reise ich ab.
Gute Reise, sagt Don Mulas in die Stille hinein. Danke, Pater, von ganzem Herzen danke.
Sie umarmen sich, draußen stürmt es, es ist teuflisch kalt.
5
Es war ihr Jahrestag, nicht ihr Hochzeitstag, denn daran hätte er sich erinnert, so etwas wie das erste Mal, als sie sich im Büro begegnet waren, als sie im selben Amt arbeiteten, einer der tausend möglichen Jahrestage, die man gern begeht. Deswegen also das Mobiltelefon, er begriff es in dem Augenblick, da er das Dorf verließ, um auf die Schnellstraße zu fahren, der chaotische Verkehr der Regentage, Staus und Schlangen vor den Ampeln, ein grauer Dienstag ohne Licht am Himmel, Jahrestag wovon? Er nahm das Geschenk in die Hand, starrte es an, dunkel wie dieser Tag, wie Nicola Raus Gedanken, er wählte die Nummer der Stadträtin.
Sara? Passt es dir, irgendwo mit mir zu Mittag zu essen, gegen zwei? Wo du willst, möglichst weit weg.
Einverstanden, sagte die Frau. Aber um drei muss ich wieder am Computer sein, heute Abend ist die Sitzung des Gemeindeausschusses, eine Scheißzeit gerade.
Sie verabschiedeten sich und legten auf.
Am liebsten würde ich heute gar nicht ins Büro gehen, ich fahr ans Meer und schau mir die Wellen an, oder zum Hafen und hör mir die Geschichten der Fischer an. Schreibe Verse wie früher. Denke nach phantasiere träume, lasse die Gedanken ziellos schweifen, eine Terrasse in Marrakesch, eine Wohnung mit blau-weißen Fliesen, Wandteppichen an den Wänden, Pferde und Sand und Wüste, arabische Freunde, mit denen ich über Leben und Tod spreche, ein Urlaub in Sevilla, die Farben, die Schwüle, die Gerüche, Fotografien von Holztüren, ein Urlaub, um Mädchen zu suchen, die mich küssen und verführen wollen, Zimtgeruch und türkischer Tee, rote Hemden von Mauren, maghrebinische Träume.
Am liebsten würde ich zu Sara nach Hause fahren, ich habe die Schlüssel, ich kaufe einen Strauß Rosen, bereite das Mittagessen vor, um zwei ruf ich sie an, sag ihr, dass ich bei ihr auf sie warte, wir lieben uns auf dem Sofa im Wohnzimmer, rauchen ohne zu reden, stumm vor Glück.
Warum habe ich geheiratet, fragte sich der Mann, was genau ist es gewesen, die Angst, allein alt zu werden?
Dann kam ihm ein anderer Gedanke, eine Idee, über die er schmunzeln musste, während er in die von Autos verstopfte Stadt hineinfuhr, in diesen Regen, der nicht aufhörte: Wie viele Geliebte hatte er in seinem Leben gehabt? Wie viele Frauen hatten seinen Namen gesagt, an seiner Brust ruhend, in der süßen Umarmung nach dem Sex?
Seine Geliebte hat kurzes rotes Haar, Augen wie starker Kaffee, sie blickt Nicola Rau fest in die Augen, wenn sie ihn küsst, zieht ihn wegen seines runden Bauchs auf, Er steht dir, Nicola, schau nur, wie gut er dir steht, du machst dir zu viele Gedanken wegen dem bisschen Fett, er ist nicht einverstanden, es ist nicht so sehr eine Frage des Aussehens, es ist die Erinnerung an seine entschwundene Schlankheit, an die rebellischen spitzen Knochen von einst.
Das Meer, schließlich haben sie sich für das Meer entschieden,
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