Der schwarze Regen
schwermütig, ich habe schmerzliche Erinnerungen an Leben an Träume von anderen, ein Leben lang geraucht, die Wellen betrachtet, gelesen geschrieben gesungen gereist, sie nur für mich zum Lachen gebracht, ein Leben noch, um Neues auszuprobieren, um zu kämpfen, zu versuchen, etwas zu ändern, ich habe eine Geliebte, die ich getötet und der ich die Knochen zerschmettert habe, ich habe einen Fluss vor mir, der mich befreien kann
ich stürze mich hinein, denkt er plötzlich, denn er ist ein Mörder und auf die eine oder andere Weise ist er bereits verurteilt, in einem Gefängnis zu sterben oder sich selbst zu töten, das ist sicher nicht dasselbe, aber im Augenblick vermag er den Unterschied nicht zu erkennen.
Nicola Rau hat in letzter Zeit Kilos und sein Lächeln verloren, im Spiegel seines Zimmers hat er die Erinnerung an den knochigen Burschen mit dünnen schwarzen Locken wiedergefunden, an den Jungen, der er einmal war, Nicola Rau wacht nachts auf, erinnert sich an die Zärtlichkeiten so vieler Mädchen, die durch seine Betten gegangen sind, in Frankreich und Deutschland und Holland und Mailand und Turin, er hat den Geruch von vielen von ihnen in der Nase, angenehme Düfte, strenge Gerüche nach Sex und Schweiß, er nimmt den genauen Geschmack jener Münder wahr, Ist es möglich, fragt er sich, Nach zwanzig Jahren? Mädchen, verlassen an einem Morgen, an einem Nachmittag nach dem Kino, an einem Abend nach der letzten Zigarette des letzten Päckchens in einer Mansarde in Hamburg, Mädchen, die alle perfekt schienen, die immer die Richtige zu sein schienen, perfekt, um auf die Insel zu fliehen, bald sehr bald, um schreibend singend Sonnenuntergänge malend alt zu werden, aber sie waren nie die Richtige, sie langweilten ihn immer viel zu schnell, so sehr, dass er das Gefühl hatte zu ersticken, kein Wort mehr sagen zu können, und so endete es dann, ein kühles Schweigen nach einem falschen Satz, eine Beleidigung, eine Ohrfeige an einem Fluss einem Kanal.
Nicola Rau erinnert sich an Marta Deianas zertrümmertes Gesicht und will sich in den Fluss stürzen und davonlaufen, sich retten vor den unruhigen Nächten voller Schreie und Erinnerungen, vor dem Geschmack des Bluts, der seinen Mund erfüllt, Schreie und Blut, die nur Täuschung sind, böse Rache des Gewissens.
Von Zeit zu Zeit denkt er an Efisio, seinen Freund und Rivalen, der seinen Namen nicht genannt, dem Maresciallo die Lösung für alles vorenthalten hat, bestimmt aus Scham, denn für Efisio ist Nicola ein Dieb, ein Bastard, ein Frauendieb, der sich nie zufrieden gibt, Efisio, der so tun muss, als sei nichts zwischen Marta und Nicola, dass ja niemand darüber spricht, dass niemand etwas weiß, wie hoch der Preis auch sein mag, ein nicht bestrafter Mörder wegen unsichtbarer Hörner, Ich bring dich um, hat er einmal zu ihm gesagt und ihm starr in die Augen geblickt, auf der Hochzeit eines gemeinsamen Freundes im Sommer, Wenn du nicht aufhörst, sie zu sehen, bring ich dich um, ich weiß alles, sie will dich nicht, sie ist meine Frau und wir lieben uns und ich bin bereit zu töten, Nicola, ich bring dich um, das schwöre ich dir bei Gott, er denkt an Efisios Gesicht an jenem Tag, tiefdunkel vor Wut, Nicola Rau, unentschlossener Mörder, Ich stürze mich hinein, sagt er sich erneut, Marta kehrt hinterrücks zurück mit überaus lebhaften Erinnerungen, ihr Gesicht an jenem verfluchten Abend, Ich bitte dich, lass mich in Ruhe, ich bitte dich, geh, flehend schwach kraftlos weinend, Ich bitte dich, lass mich in Ruhe, geh weg, schön wie immer, kleines Mädchen und Frau und seine Wut, der verfluchte Abend, das Blut an der Wand, die Wärme der Hände auf ihrem Hals, Blut, das auf Kleider und Haare spritzt, die Treppen hinuntergerannt, sein schwarzes Auto, die klebrigen Hände, als er das Lenkrad umklammert, Geschmack von Lippenstift auf den Lippen der Zunge, wund von den Küssen, Geschmack von Lippenstift und bitterem Bier und süßem Blut, auf der Zunge den Lippen im Mund.
Gott, brüllt Nicola Rau zum Himmel hinauf, Gott, diese Erinnerungen, noch immer der Geschmack im Mund, ihre Stimme im Ohr, Was tust du, lass mich, bitte tu mir nicht weh, Gott, diese Geräusche, Knochen, die gegen Kanten und Wand schlagen, der Kopf, der nachgibt bricht sich öffnet, das Geräusch, o Gott, meine Wut die Tränen die Augen, die tränennassen und müden und schmerzenden Augen und auch jetzt noch, o Gott, es ist, als wäre es jetzt und immer, es gibt keinen
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