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Der schwarze Regen

Der schwarze Regen

Titel: Der schwarze Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flavio Soriga
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hörte das Schweigen auf der anderen Seite der Leitung, fragte sich, ob der junge Mann sich nicht wie immer über ihn lustig machte, ob das nicht ein neues Spiel war, sich Dinge zu sagen, die für beide selbstverständlich waren. Ich habe einen Befehl erhalten, sagte er, und diesmal traf er den beabsichtigten ironischen Ton, Und ich halte mich besser daran. Aber heute Abend treffe ich mich in Cagliari mit meiner Geliebten, fügte er hinzu, Vielleicht verstehe ich etwas besser, wenn ich mit ihr darüber spreche.
    Vielleicht kommst du am Nachmittag zu mir, wenn du Lust hast, noch verwirrter zu werden, wir hatten uns immerhin auf einen Kaffee im Park verabredet, er hatte in scherzhaftem Ton gesprochen, der junge Mann, er erwartete keine Antwort, Arbeite gut, fügte er hinzu und legte auf, den Maresciallo allein lassend, draußen hatte es tatsächlich zu regnen aufgehört, man hörte den Wind toben.

9
    Zio Salvatore machte in der Mordnacht kein Auge zu.
    Die Sorgen.
    Die Erinnerungen.
    Die Wette, Deutschland, die Emigranten aus Nuraiò auf den Bänken des Parks in München, fluchend, zutiefst einsam, die Frau, die ihm ständig in den Ohren lag, sie sollten alles verkaufen und wieder weggehen, die Kinder, die es rundweg abgelehnt hatten, mit ihnen auf die Insel zu übersiedeln, wozu?
    Und die Telefonate der vergangenen Monate, die nachts kamen und ihre Ruhe störten, diese Forderung, die fast zu einer Drohung geworden war, und dann dieses Unglück, Maresciallo Crissanti, der Arme, so freundlich und tüchtig, der gar nicht wie ein Carabiniere wirkt, und Efisietto in Handschellen, denn er wusste, was es mit dieser Geschichte des gehörnten Ehemanns auf sich hatte, aber so hätte er sich natürlich nicht aufführen dürfen, diese wutentbrannten Sätze in der Bar vor dem ganzen Dorf, und das ist nun das Ergebnis, guter Gott heiliger Gott, Buoncammino, das verdammte Gefängnis, Mord!
    Efisietto, Efisietto, wie soll ich dich da nur herausholen?
    Und die schleimigen Dämonen und ein paar Sandkörner in der Unterhose, die ihn jetzt wie Feuer quälten, Feuer der Gewissensbisse und Marta Deiana mit zerschmettertem Kopf und ihre Liebhaber und noch viele weitere Dinge, und dieser Regen, der aufhörte und wieder anfing, als würde er singen und dann Atem holen, schwarzer Gesang von Zweifeln und Albträumen, was sollte er tun?
    Denn ihn zu retten hätte ihn unweigerlich ins Verderben gestürzt, und wenn er, Efisietto, nicht sprach, um seine Haut zu retten, sollte der Alte dann sprechen? Der im Grunde nichts damit zu tun hatte und nicht einmal ganz sicher sein konnte, dass er Efisio Marras überhaupt hatte weggehen sehen in jenem dunklen Hof, als er dort ankam, genau zum Zeitpunkt des Mordes.
    Was hat dich nur geritten, sagte er sich jedoch sofort, während er sich in den Laken hin und her warf. Was hat dich nur geritten, du alter Dummkopf, dass du ihm auch noch zugenickt hast, du, der du nachts besser siehst als am Tag, was hat dich nur geritten, sicher, er wird nicht reden, der Unglücksmensch, würdest du etwa reden? Niemals, denn deine Frau zu töten ist zwar abscheulich, aber das, was ihr getan habt, ist noch schlimmer, ist das Schlimmste, was man tun kann.
    Und so ging es die ganze Nacht, er wälzte sich im Bett hin und her, störte die Frau, die ihm aus ihrem Schlaf von Zeit zu Zeit etwas zurief, Worte des Protestes in Deutsch in Italienisch, Beschimpfungen, Vorwürfe.
    Schlaf schlaf, um die Probleme kümmere ich mich schon.
    Als es ihm endlich gelang einzuschlafen, war es fast vier, und um fünf klingelte der Wecker, und so stand er müder auf, als er sich hingelegt hatte.
    Er wusch sich das Gesicht, machte Kaffee, setzte sich auf die Toilette und zündete seine erste Zigarette an.
    Er war fast sechzig, er hatte immer gearbeitet, er erinnerte sich nicht, jemals saubere Hände gehabt zu haben, immer schwarz von Werkstattschmiere oder von Erde, seit er die Grundschule beendet hatte, immer.
    Denken war nicht etwas, das ihm besonders gefiel.
    Über die Ereignisse nachzudenken, zu entscheiden, was besser wäre, wie viel er verlieren würde, wenn er das eine tat, und was er dabei gewann, über die anderen und über sich zu urteilen, das war ihm lästig, das strengte ihn mehr an als körperliche Arbeit.
    Und auch mit den Carabinieri zu sprechen, und sei es mit dem ehrlichen Gesicht des Maresciallo, auch das war nichts für ihn, denn er hatte immer das Gefühl, dabei ein wenig das Gesicht zu verlieren, wenn er dem Gesetz die Probleme

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