Der schwarze Schattenjaeger
ist.
„Was? Schon kurz vor 22.00 Uhr?!“ Sofort sitze ich aufrecht im Bett, wobei einige Kissen herunterfallen. Ich habe tatsächlich bis 22.00 Uhr geschlafen! Ich springe sofort auf und eile die Treppen hinunter, natürlich nicht zu laut, da ich meine Mom nicht wecken möchte. An der Haustür hängt ein Zettel von Sophie:
Liebe Thalis, wir haben dich schlafen lassen, es ist alles in Ordnung. Wir sehen uns morgen früh :)
Sophie und Ellen
Jetzt stehe ich hier mit dem Zettel in der Hand, den ich sorgfältig betrachte. Ich werfe ihn nicht weg, ich werde ihn aufheben. Jede kleine Nachricht an mich tut mir gut, und falls Sophie je etwas zustoßen sollte, habe ich eine Erinnerung an sie. Erneut schleiche ich mich zur Tür von Mom und luge hinein. Es dauert einen Moment, doch dann sehe ich eine Bewegung. Sie lebt. Alles ist in Ordnung. Wut steigt in mir auf. Ich hätte mich nicht leichtfertig ins Bett legen dürfen, dann wäre ich auch nicht eingeschlafen! Doch so habe ich wertvolle Zeit mit meiner Mom verstreichen lassen, ohne mit ihr zu sprechen. Was, wenn sie heute Nacht stirbt? Dann habe ich sie nicht einmal mehr sprechen können! Panik kriecht meine Kehle hoch und ich merke, wie mein Körper beginnt zu zittern. Doch ich schaffe es, meine Tränen zurückzuhalten und zurück auf mein Zimmer zu gehen.
Was für ein Tag …
„Guten Morgen. Heute ist der 8. November 2014 und dicke Schneewolken kommen aus dem kalten Norden“, ertönt es aus dem Radio, das ich wieder laut aufgedreht habe, während ich dusche. Heute ist schon wieder Samstag und wenn ich mich so an die letzten Tage zurückerinnere, bin ich doch etwas enttäuscht. Ich habe jeden Tag gehofft, dass Valom noch einmal im Bookdelicious auftaucht, aber leider kam er nicht. Vielleicht habe ich ja heute mehr Glück, da es wieder Samstag ist und er bereits letzten Samstag in Pemberton war. Aber ich möchte nicht undankbar sein. Meiner Mutter geht es unverändert, sogar etwas besser als zuvor, und ich konnte viele schöne Gespräche mit ihr führen. Als ich mein Spiegelbild anschaue, überlege ich kurz, ob ich meine Haare nicht vielleicht offen tragen soll. Andere Mädchen in meinem Alter schminken sich und benutzen einen Lockenstab, frisieren sich und ziehen sich hübsche Sachen an. Hohe Schuhe und etwas mit einem tiefen Ausschnitt. Ich hingegen mag enge Jeanshosen, Stiefel oder flache Schuhe, lange Pullover mit Wollkragen und einen normalen Pferdeschwanz. Ich greife nach einem Haarband und binde mir erneut einen Zopf, dieses Mal etwas höher als sonst. Das lässt mich etwas jünger aussehen. Ich drehe mich vor dem Spiegel und betrachte mich von allen Seiten. Dabei streichle ich über meine Ohrläppchen. Nicht einmal Ohrlöcher habe ich oder ein Tattoo. Ich hätte gerne ein schönes Motiv auf meinem Körper. Vielleicht an der Hüfte. Sterne oder einen Spruch, irgendetwas, das nur mir gehört. Das nur ich sehen kann. Ich warte noch das Ende des Liedes ab, bevor ich das Radio ausschalte und laut singend die Treppen hinuntereile. Es ist wieder an der Zeit, gute Miene zu spielen. Nicht nur für meine Mom, sondern auch für mich.
„Tante Abby und Onkel Roger kommen ja morgen mit Kimmy. Sie hat gesagt, sie wollte dir einen Kuchen backen und ich soll dich fragen, welchen du gerne haben möchtest“, frage ich meine Mom, während ich hüpfend und mit einem breiten Grinsen ihr Zimmer betrete. Ich öffne die Vorhänge und strahle sie an. Doch meine Mom liegt mit geschlossenen Augen da. Es ist anders als sonst. Sonst sieht sie mich an oder blinzelt wenigstens. Aber ihre Augen sind geschlossen.
Adrenalin schießt durch meinen Körper und mein Herz hört für einen Augenblick auf zu schlagen. Nein … das darf nicht sein. Nein, du spinnst. Da ist nichts. Sie lebt noch! Sie lebt …
„Sie würde dir gerne einen Mohnkuchen backen, weil du Mohn ja so gerne isst, auf der anderen Seite bleibt der immer so eklig in den Zähnen hängen“, schreie ich beinahe, während ich weiter durch das Zimmer renne. Erst jetzt sehe ich, wie ihr Körper zusammenschreckt und sie müde die Augen öffnet.
„Oh … guten Morgen … Thalis“, haucht meine Mom. Sie blinzelt mir entgegen und ich atme tief ein und aus, verberge dies aber, indem ich mich schnell von ihr wegdrehe und in die Küche eile.
„Aber so ein warmer Apfelkuchen wäre doch etwas? Der duftet auch so schön“, rufe ich aus der Küche, während ich wieder versuche, mich zu fangen. Ich klimpere mit einigen Tassen,
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